Ein Gespräch mit dem Journalisten ­Casey Michel über internationale Korruption

»Die USA sind das größte Zentrum für Geldwäsche weltweit«

Interview Von

»Man denkt bei Zentren der Geldwäsche allgemein an kleine Länder mit lockeren Finanzgesetzen. Aber viel spricht dafür, dass derzeit die Vereinigten Staaten der beste Ort sind, um unrechtmäßig erworbenes Geld zu verstecken und zu waschen.« Das sagte die US-Finanzministerin Janet Yellen am Donnerstag voriger Woche beim von der US-Regierung organisierten internationalen »Gipfel für Demokratie«. Was meinte sie damit?

Sie hat vollkommen recht, und jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, war begeistert, dass ein Vertreter der US-Regierung diese Tatsache derart prominent anerkannte. Die USA sind mittlerweile das größte Zentrum für Geldwäsche weltweit. Sie ziehen Milliarden über Milliarden an schmutzigem Geld aus der ganzen Welt an, von ­Oligarchen, Kleptokraten und Diktatoren, die ihr Geld hier anlegen und sicher verwahren wollen. Und die Erklärungen der vergangenen Woche haben gezeigt, dass die US-Regierung endlich etwas dagegen tun will.

»Delaware ist weltweit führend bei anonymen Briefkastenfirmen, South Dakota hat die Spitzenstellung bei anonymen Trusts.«

Wie wurden die USA zu einem Zen­trum der Geldwäsche?

Als der Kalte Krieg seinem Ende entgegenging, zirkulierte immer mehr schmutziges Geld um die Erde, aus postkommunistischen und postkolonialen Ländern, aus Afrika, Eurasien, Südamerika, Südasien. Geld, das oft mit illegalen oder korrupten Methoden erworben worden war oder auf der Kontrolle autoritärer Regime über den Rohstoffhandel basierte. Westliche Staaten, seien es die USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland oder andere EU-Länder, versuchten, so viel dieses neuen Kapitals anzuziehen wie möglich. Und die USA waren dabei am erfolgreichsten.

Warum die gerade die USA?

Im Grunde aus den gleichen Gründen, aus denen die USA auch für normale Investoren so attraktiv sind: Es gibt viele Anlageobjekte und einen funktionierenden Rechtsstaat mit einem sehr starken Schutz von Eigentumsrechten. Die Gesetzgebung ist transparent, man muss sich keine Gedanken um korrupte Gerichte machen und die politischen Verhältnisse sind stabil. Hinzu kommt ein besonders hoher Datenschutz und Anonymität bei Briefkastenfirmen und Ähnlichem.

Wieso sind diese Bedingungen in den USA so günstig?

Ein Grund ist der ausgeprägte Föderalismus. Die Regulierung von anonymen Briefkastenfirmen ist Aufgabe der Bundesstaaten, und viele von ihnen konkurrierten um möglichst liberale Gesetze. Staaten wie Delaware, Wyoming, South Dakota oder Nevada haben entdeckt, dass sie so Kapital aus anziehen und Staatseinnahmen generieren können. Delaware ist weltweit führend bei anonymen Briefkastenfirmen, South Dakota hat die Spitzenstellung bei anonymen Trusts. Beide Vehikel dienen dem Zweck, Geld in den USA zu investieren, ohne dass kontrolliert werden kann, woher dieses Geld stammt.

Gab es in den vergangenen Jahren keine Bemühungen, das zu regu­lieren?

Nach den Anschlägen des 11. September wurde die illegale Nutzung des Finanzsystems ein Thema. Der sogenannte Patriot Act aus dem Jahr 2001 enthielt neben allerlei problematischen Einschränkungen von Bürgerrechten auch sehr starke Regeln gegen Geldwäsche. Insbesondere Banken mussten interne Strukturen zur Kontrolle von Geldwäsche aufbauen und verdächtige Kunden den Behörden melden. Ähnliche Regeln gab es für andere Branchen. Doch kaum trat das Gesetz in Kraft, erließ das Finanzministerium eine Reihe von Befreiungen für die Immobilienbranche, Private-Equity- und Hedgefonds, Auktionshäuser, den Kunsthandel. Diese wichtigen Branchen können nach wie vor legal schmutziges Geld annehmen.

Wieso ist es politisch so schwer, eine stärkere Regulierung durchzusetzen?

Es gibt mächtige Interessengruppen, die von der derzeitigen Situation profitieren, etwa die Vermögensverwalter, Immobilien- und Kunsthändler. Und Anwälte: Anwaltsbüros in den USA dürfen mit jeder Art von Kunden arbeiten, seien es korrupte Regime, Diktatoren und Kleptokraten, Drogen- und Waffenhändler, ohne danach zu fragen, wo deren Geld herkommt. Sie dürfen für sie Briefkastenfirmen gründen, Immobilien kaufen, Journalisten verklagen und vor allem PR- und Lobbytätigkeiten übernehmen, und das alles unter dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses. Alle Parlamentarier haben solche Interessengruppen in ihren Wahlbezirken. Der jetzige US-Präsident Joe Biden vertrat als Senator viele Jahre lang den Bundesstaat Delaware, das Zentrum der Offshore-Finanz in den USA. Auch wird oft argumentiert, dass eine stärkere Regulierung auch den »sauberen« Kapitalzufluss beeinträchtigen würde. Unterm Strich profitieren zu viele in den USA vom schmutzigen Geld, und die Opfer des Ganzen sitzen sehr weit weg.

Wer sind die Opfer?

Die Menschen in den Ländern, aus denen diese Oligarchen, Kleptokraten und Diktatoren ihr Geld haben. Wir sprechen nicht von Geschäftsleuten, die Unternehmen gegründet haben und ihr Geld in den USA investieren wollen, sondern von Geld, das aus ­illegitimen Quellen stammt und oft einfach aus dem Staatshaushalt gestohlen wurde, Milliarden, die ins Ausland transferiert werden, statt in Schulen, Krankenhäuser oder Straßen zu fließen. Diese Leute bestehlen ihre Bevölkerung, unterdrücken demokratische Bewegungen und bedrohen Aktivisten oder Journalisten, die sich ihnen entgegenstellen. Das Ergebnis ist Instabilität, Armut, Ungleichheit, schwache Staaten, Diktaturen und Gewalt. Und seit Jahrzehnten lassen die USA das zu und schaffen sogar Anreize dafür, dass weiter Kapital aus diesen Ländern abfließt.

Warum könnte sich das nun ändern?

Es ist eine Reaktion auf Donald Trumps Präsidentschaft. Trump hat das Pro­blem der Geldwäsche und der damit zusammenhängenden Korruption scharf hervortreten lassen. Ohne ihn wäre es niemals in diesem Maße ­thematisiert worden.

Was hat Trump mit Geldwäsche zu tun?

Trump war seit den 80er Jahren vor allem im Geschäft mit Luxusimmobillien tätig, also zu der Zeit, als dieser Sektor zu einem Spielfeld der internationalen Geldwäsche wurde. Er war der erste Staatschef weltweit, der aus einem dieser »prokleptokratischen« Wirtschaftszweige stammt. Sein geschäftlicher Erfolg basierte zu einem großen Teil darauf, Geld für seine Immobilien von Investoren aus der ganzen Welt einzusammeln. Es geht hier wohlgemerkt nicht nur um seine Beziehungen nach Russland, die ja ausführlich untersucht wurden. Es geht auch um Geld aus Ländern wie Aserbaidschan, Indonesien, Kasachstan, aus Südasien und Subsahara-Afrika, das oft über anonyme Briefkastenfirmen in seine Immobilien floss. Und es gibt immer noch offene Fragen, inwieweit Geld aus völlig unklaren Quellen sein Regierungshandeln beeinflusst haben könnte. So trat ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass diese schmutzigen Geldströme auch einen negativen Einfluss auf unsere Demokratie haben können.

Was haben die Demokraten nach ihrem Wahlsieg in die Wege geleitet?

Schon am 1. Januar verabschiedete der Kongress den Corporate Transparency Act (CTA), der unter anderem festlegt, dass Informationen über die Besitzer anonymer Briefkastenfirmen an Bundesbehörden gemeldet werden müssen. Im Juni veröffentlichte Präsident Biden ein Memorandum, das den Kampf ­gegen Korruption als nationales Sicherheitsinteresse definierte. Und in der vergangenen Woche haben wir dann endlich gesehen, welche konkreten Maßnahmen die Regierung anstrebt.

Was sind das für Maßnahmen?

Das Finanzministerium will zum Beispiel bundesweit für mehr Transparenz im Immobiliensektor sorgen. Außerdem soll der Corporate Transparency Act effektiv durchgesetzt werden; wir werden also sehen, welche Briefkastenfirmen genau betroffen sind und ob es wieder Ausnahmeregelungen geben wird. Und am Montag ver­öffentlichte das Weiße Haus ein 38seitiges offizielles Strategiedokument zum Kampf gegen Korruption. Darin werden detaillierte Maßnahmen beschrieben, alles Dinge, die Antikorruptionsaktivisten seit Jahren gefordert haben. Sollte das alles tatsächlich verwirklicht werden, wären die Tage der USA als Geldwäschezentrum vorbei.

Was ist mit der internationalen ­Dimension? Das Problem lässt sich ja kaum von den USA allein lösen.

Tatsächlich gehört zu den Plänen der US-Regierung auch, bestimmte internationale Institutionen zu stärken, damit andere Länder ähnliche Maßnahmen ergreifen. Mein Buch handelt von den USA, aber ähnliche Dynamiken gibt es natürlich in zahlreichen Ländern, in Kanada, Großbritannien, der EU. Und natürlich auch in Deutschland – man denke nur an die vielen Skandale der Deutschen Bank oder an die Razzia beim Bundesfinanzministerium im vergangenen September, die im Zusammenhang mit Geldwäsche stand.

 

Casey Michel

Casey Michel ist Investigativjournalist und beschäftigt sich mit internationaler Geldwäsche und Korruption in den USA und dem postsowjetischen Raum. Im November erschien sein Buch »American Kleptocracy: How the U.S. Created the World’s Greatest Money Laundering Scheme in History«.

 

Sanktionen gegen Schurkenstaaten

Schätzungen zufolge fließt jedes Jahr deutlich mehr Kapital aus Entwicklungsländern ab, als diese durch Entwicklungshilfe erhalten. Eine 2020 veröffentlichte Studie der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ergab, dass der Kapitalabfluss im Jahr 2015 etwa 550 Milliarden betrug, inklusive der illegalen Finanzströme sogar knapp über 800 Milliarden US-Dollar.

Illegale Finanzströme stammen oft aus korrupten oder kleptokratischen Staaten, in denen keine rechtliche Trennung zwischen staatlicher und wirtschaftlicher Macht besteht. Zahlreiche Diktatoren und Oligarchen lagern ihr Geld auf ausländischen Bankkonten in Steueroasen. In seinem Buch schildert Casey Michel die Fälle der Herrscherfamilie des afrikanischen Ölstaats Äquatorialguinea und des ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskyj, die in großem Umfang Vermögen in die USA transferierten.

»Korruption zu bekämpfen, ist gutes Regieren. Es ist Selbstverteidigung. Es ist Patriotismus und es ist essentiell zum Erhalt unserer Demokratie und unserer Zukunft«, sagte US-Präsident Biden im Juni, als er den Kampf gegen Korruption zum »Kerninteresse der nationalen Sicherheit«, also zu einer Priorität der Außenpolitik, erklärte. Weil der Zugang zum US-Finanzsystem für Superreiche auch aus nichtdemokratischen Staaten so wichtig ist, können diese durch Sanktionen hart getroffen werden. Anlässlich des internati­onalen Antikorruptionstags am 9. Dezember erließ das US-Finanzministerium eine Reihe von Sanktionen gegen Individuen aus El Salvador, Guatemala, dem Südsudan, Liberia, der Ukraine und Angola, deren innerhalb der Jurisdiktion der USA befindliche Vermögen eingefroren wurden.

Solche Sanktionen sind ein Grund dafür, dass auch Teile der republikanischen Partei, die sonst gegen zusätzliche Regulierung des Finanzsystems ist, Bidens Antikorruptionspläne unterstützen. »Die Antikorruptionsagenda den Demokraten zu überlassen, wäre ein Geschenk für die Kleptokraten in Peking, Moskau, Teheran und Caracas«, argumentierte Nate Sibley von der Kleptocracy Initiative des Think Tanks Hudson Institute am Sonntag in einem Gastbeitrag im Wall Street Journal, denn sie sei ein wirkmächtiges Instrument gegen diese Staaten. Eine zukünftige republikanische Regierung könne auf Bidens Plänen aufbauen, argumentiert Sibley, und zusätzlich den Fokus darauf legen, »dass die größte Kleptokratie von allen von der chinesischen kommunistischen Partei angeführt wird«. Auch gegen die Regimes in Kuba, Venezuela und dem Iran könne eine zukünftige republikanische Regierung so vorgehen. ps