»Salmobray« und »Preziosen & Profanes« von The Wirtschaftswunder

Vergessene Avantgarde

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Weil die Musikindustrie sich ohnehin nur noch ständig selbst wiederholt, sind Reissues mittlerweile die ehrlichsten Veröffentlichungen. Statt eine weitere Repetition als bahnbrechende Neuheit zu verkaufen, ist bei ihnen zumindest deutlich, dass es nichts Neues gibt. Aber dafür kann man dann und wann etwas Gutes entdecken, das man entweder noch nicht kannte oder über die Jahre längst vergessen hatte – dank der von der Popindustrie ausgesendeten Störgeräusche. Zu diesen vergessenen Kleinoden gehören auch zwei Platten der Band The Wirtschaftswunder, die kürzlich neu aufgelegt wurden: »Salmobray«, das erste Album der Band von 1981, und eine Sammlung von Singles und Samplerbeiträgen, die den programmatischen Namen »Preziosen & Profanes« trägt.

The Wirtschaftswunder werden gemeinhin zu den Bands der sogenannten Neuen Deutschen Welle gezählt. Nur wird ihnen diese Kategorie aus heutiger Sicht keineswegs gerecht. Insbesondere die Stücke auf »Salmobray«, das auf einem Vierspurrekorder aufgenommen wurde, changieren zwischen avantgardistischem Punk und experimentellem Krautrock.

Angenehm verstörend sind die ständigen Rhythmusunterbrechungen, die der in gebrochenem Deutsch vorgetragene und im besten Sinne skurrile Gesang von Angelo Galizia perfekt ergänzt. »Ich bin ein Analphabet«, singt Galizia, der ursprünglich aus Sizilien kam und in Limburg in einer Metallwarenfabrik arbeitete, als er zu der Band stieß. Auch in dem Lied »Der Kommissar«, dessen Melodie auf dem Titelsong der gleichnamigen Fernsehserie basiert und das Snippets aus dieser enthält, spielte die Band mit verbreiteten Vorurteilen über sogenannte Gastarbeiter und kritisierte racial profiling, lange bevor es zum großen Thema wurde.

Wenig überraschend war The Wirtschaftswunder bereits in den achtziger Jahren kommerziell erfolglos und auch die Reissues sind eher etwas für ein Nischenpublikum. 1985 löste sich die Band auf.

The Wirtschaftswunder: ­Salmobray/Preziosen & ­Profanes (Tapete Records)