Jörg Meuthen weint Salzkörner

Reumütiger Dazulerner

Jörg Meuthen weint Krokodilstränen.
Die preisgekrönte Reportage Von

»Das habe ich nicht gewollt«, sagt Jörg Meuthen. Tiefe Sorgenfalten zeichnen die Stirn des ehemaligen AfD-Chefs, als er über die Berliner Friedrichstraße spaziert. Wenige Tage erst liegt sein Austritt aus der Partei zurück. Für seine Verhältnisse überraschend klein ist das Fernsehteam, das ihn begleitet. Alle nicken, klopfen ihm unterstützend auf die Schulter. Sie wissen: Ja, wir alle machen Fehler, sonst wären wir nicht bei den Medien gelandet. Manchmal macht man denselben Fehler jahre-, gar jahrzehntelang, auch wenn überall ­große Leuchttafeln »Achtung, Sie begehen einen Fehler« schreien. Dennoch: Bei den Medien wie bei den Rechtsextremen muss man ­jederzeit bereit sein, sich selbst zu ­verzeihen.

»Die AfD ist an zentralen Stellen von Rechtsextremisten beeinflusst«, sagt Meuthen heute. »Das weiß ich unter anderem deswegen so genau, weil ich sie selbst dorthin gesetzt habe.« Nachdenklich tritt der Spitzenpolitiker einem Bettler den Hut weg, drückt einem Skinhead einen Zehn-Euro-Schein in die Hand. »Aber wer hätte ahnen können, dass diese Rechtsextremen mich irgendwann rechts überholen würden? Ich meine, ich war rechter als Frauke ­Petry, die wiederum rechter als Bernd Lucke war!« Meuthen versucht, sich eine Träne abzupressen, aber aus seinen Augenwinkeln rieseln nur win­zige Salzkörnchen.

Die AfD ist die ideale Partei, um im richtigen Moment von ihr abzuspringen. Dass ein ehemaliger BDI-Präsident mal Mitgründer war und die Partei gegen alle Vorwürfe verteidigt hat, ist vergessen; nur ein paar Dementi später steht der ehemalige Übervater als reumütiger Dazulerner da. »Solche Männer brauchen wir«, sagt Olaf Gurkner, Berater von Friedrich Merz. »Der deutsche Konservatismus ist personell praktisch ausgeblutet. Da braucht es Hardcore-Rechte, die wissen, wann sie von einem sinkenden Schiff auf das nächste springen sollten. Bei uns sind alle ehemaligen AfDler willkommen, die einen Karriereneustart wollen und bereit sind, sich wenigstens symbolisch vom offenen Faschismus zu distanzieren.«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.