Die Zahl antisemitischer Delikte ­erreichte im ersten Pandemiejahr einen Höchststand

Antisemiten im Aufwind

Eine Studie des Jüdischen Weltkongresses kommt zu dem Ergebnis, dass ein Fünftel der Deutschen antisemitisch denkt. Die Pandemie funktioniere als Katalysator, auch für die Verbreitung von Verschwörungstheorien.

Juden hätten zu viel Einfluss auf die Finanzwelt, Politik, Medien, auf Konflikte und Kriege, sie profitierten wirtschaftlich von der Covid-19-Pandemie und bekämen einen besseren Impfstoff. Solchen Aussagen stimmt ein Fünftel aller Erwachsenen in Deutschland zu, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die im Auftrag des Jüdischen Weltkongresses (WJC) erarbeitet wurde. Dafür wurden in der zweiten Novemberhälfte des vergangenen Jahres in einer repräsentativen Stichprobe 5 006 Erwachsene befragt.

Bei Männern und bei Wählerinnen und Wählern der AfD registrierten die Forscherinnen  überdurchschnittlich hohe Werte. Unter den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren teilt sogar fast ein Drittel solche Wahnvorstellungen, und etwa die Hälfte der jungen Deutschen glaubte, das Coronavirus sei im Labor hergestellt und die Pandemie von einer »Elite« geplant worden. Unter den als antisemitisch ein­gestuften jungen Leuten glaubten beides sogar drei Viertel.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der polizeilich erfassten antisemi­tischen Delikte, im ersten Pandemie­­­jahr 2020 erreichten sie mit 2 351 Fällen einen bisherigen Höhepunkt.

»Es ist verstörend zu sehen, wie weit verbreitet Verschwörungstheorien und antijüdische Vorurteile sind«, kommentierte der WJC-Präsident Ronald S. Lauder die Befunde. Für ihn steht fest, dass die Pandemie als Katalysator wirke und der Judenhass in Deutschland »ein alarmierendes Niveau erreicht« habe.

Angesichts des Verhaltens der »Quer­denken«-Bewegung in den vergangenen zwei Jahren ist das durchaus plausibel. Die dort gepflegten Verschwörungstheorien sind zumindest anschlussfähig an den Antisemitismus. Immer wieder tragen »Querdenker« auf Demonstrationen einen »Judenstern«, auf dem oft »ungeimpft« steht, und trivialisieren damit die Judenverfolgung im Nationalsozialismus. Auch fallen führende Figuren regelmäßig mit antisemitischen Aussagen auf.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::