Der Aktionismus der Gruppe »Aufstand der letzten Generation«

Das letzte Bisschen

Festgeklebt auf Straßen zu sitzen, ist das neue hippe Ding.
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Eine Aufforderung ergeht an die Polizei, sich zurückzuhalten, weil man »die verfassungsgemäße Ordnung verteidigt« und sie außerdem die Pflicht habe, »jeder Regierung den Gehorsam zu verweigern, die ihre erste und wichtigste Verantwortung nicht wahrnimmt: den Schutz der Menschen«. Dazu gibt es eine Art Ultimatum an die Bundesregierung, endlich das zu tun, was man von ihr erwartet. Was sich anhört wie die Lautsprecherdurchsagen auf mindestens jeder zweiten Demonstration der »Querdenken«-Bewegung, ist Teil der dieswöchigen Verlautbarungen von »Aufstand der letzten Generation« auf Twitter.

Um zu erreichen, dass ein von den Aktivistinnen und Aktivisten selbst geschriebener Gesetzentwurf über Lebensmittelvergeudung von der Bundesregierung umgesetzt wird, blockieren diese seit einigen Tagen hauptsächlich in Berlin vielbefahrene Straßen. Manchmal klebt man sich sogar auf dem Asphalt fest. Ausgesetzt wurden die Proteste lediglich in der vergangenen Woche in Gedenken an die von Wilderern erschossenen Polizeibeamten. Nun haben die beiden Themen, also Mord und Totschlag einerseits und weggeworfenes Essen andererseits, zwar eigentlich nichts miteinander zu tun, aber der »Aufstand der letzten Generation« ist geschickt darin, Aufmerksamkeit und Schlagzeilen zu generieren, zur Not halt hängt man sich an aktuelle Themen dran. Die Gruppe ist verbandelt mit der sektenähnlichen, esoterisch inspirierten und in Teilen antisemitischen Bewegung Extinction Rebellion (ER), und die ist in Sachen PR gut.

Deswegen wird nun auf Straßen herumgesessen. Irgendein Autofahrer, irgendeine Autofahrerin flippt im Stau schließlich immer aus und das produziert Bilder, die von den Medien übernommen und verbreitet werden können. Interessanterweise hält sich die Begeisterung für die Straßenbesetzungen selbst im Netz in sehr überschaubaren Grenzen. Die Beiträge des Letzte-Generation-Accounts werden auf Twitter mittlerweile nur noch von rund 100 Leuten gelikt. Von der Massenbewegung, deren Sprecher man zu sein vorgibt, ist man weit entfernt. Das liegt vielleicht auch an der Nähe zu ER, deren Aktionen zunächst mediale Begeisterung ausgelöst hatten, bis diverse kritische Artikel erschienen und sich überdies herausstellte, dass sich zu den ER-Aktivistinnen und -Aktivisten nur eine geringe Anzahl lokaler Unterstützerinnen und Unterstützer gesellte. Abstoßend jedoch wirkte vor allem der tödliche Ernst, mit dem die sogenannte letzte Generation im vorigen Spätsommer ihren Hungerstreik vor dem Bundestag durchzuziehen drohte. Doch das Konzept, so lange die Luft anzuhalten, bis getan wird, was man will, hat bisher selten Erfolg gebracht.

Aber egal, festgeklebt auf Straßen zu sitzen, ist das neue hippe Ding. Und es dürfte erfahrungsgemäß nicht mehr lange dauern, bis auch andere Leute diese Idee für sich entdecken und es nicht mehr dabei belassen, »Spaziergänge« zu veranstalten. Das wird lustig: Von acht bis zehn Uhr große Protestaktion der »letzten Generation« auf der Bundesautobahn 100 in Berlin, anschließend Schichtwechsel und von halb elf bis zwei Uhr sind die »Querdenker« dran. Nach der Mittagspause kommen dann diejenigen Impf­gegner, die mit dem Veranstalter der vorherigen »Querdenken«-Demonstration verkracht sind, an die Reihe. Um 17 Uhr – pünktlich! – schließlich und bis zum Ende des Berufsverkehrs sitzen alle zusammen auf der Straße, die Leute, die sich als »das Volk« sehen und auf der Stelle ihren Willen durchgesetzt haben wollen. Umringt von großen Mengen Live-Streamer, die das Ganze dokumentieren und zu diesem und jenem aufrufen. Hauptsächlich aber dazu, doch bitte zu spenden. Anschließend wird noch ein bisschen gemeinsam herumspaziert, natürlich gemeinsam, schließlich sind alle willkommen, es geht ja auch um alles. Und dann werden sie sich aber noch umgucken, die da oben.