Karin Prien und ihr Twitter-Account

»Unter CDU-Regierungen, nicht an CDU-Regierungen«

Karin Prien und ihr deaktivierter Twitter-Account.
Die preisgekrönte Reportage Von

Jakob Kopffab schließt fassungslos das Twitter-Fenster auf seinem Bildschirm. Der 32jährige Referent im schleswig-holsteinischen Bildungsministerium kann den Zorn, der sich gerade über Ministerin Karin Prien ergeht, nicht nachvollziehen: »Ich sage mal: Die Schule war schon immer ein Instrument der Auslese. Nach Kompetenzen oder eben biologisch, das läuft in letzter Instanz aufs selbe hinaus.« Prien, die sämtliche Coronamaßnahmen an Schulen aufheben möchte, weil sie eine »Kultur der Angst« schürten, ist zugleich Präsidentin der Kultusministerkonferenz. In einem inzwischen nicht mehr einsehbaren Tweet hatte sie geschrieben: »Bitte differenzieren: Kinder sterben. Das ist extrem tragisch. Aber sie sterben mit Covid_19 und nur extrem selten wegen Covid_19.«

Ihr Mitarbeiter Kopffab lädt zu einer Versachlichung der Diskussion über den Tweet ein: »Bitte differenzieren: Es stimmt, der Bildungsministerin ist es ein bisschen egal, ob Kinder sterben. Aber es ist ihr weniger egal bei Kindern ohne Vorerkrankung. Das ist doch etwas Schönes, darauf sollten wir aufbauen.« Prien ist verantwortlich für 363 000 Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein. »Ich sage mal, das ist eine enorm hohe Zahl, wo auch schon mal ein paar unter den Tisch fallen können, wenn Sie verstehen. Das Gesetz der großen Zahlen lernt man schon in der sechsten Klasse. Wenn man bis dahin überlebt.« Kopffab dreht sich einmal elegant in seinem Drehstuhl um die eigene Achse, um dann wieder sachlich zu werden: »Ich wehre mich nur gegen die Darstellung, dass angeblich alle toten Kinder auf das Konto von wirtschaftsgeilen CDU-Regierungen gehen, die eigenmächtig die Pandemie für beendet erklären. Die meisten Kinder sterben unter CDU-Regierungen, nicht an CDU-Regierungen.«

Um die erhitzten Gemüter in ein kühlendes Tauchbad abzusenken, wurde Kopffab aufgefordert, den Runden Tisch »Schneewittchen« einzuführen. »Wir möchten in einer Atmosphäre der Offenheit über einige Grundannahmen diskutierten. Zum Beispiel: Wann ist ein Kind eigentlich tot?«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.