Wachsende Sorbenfeindlichkeit in Cottbus und der Lausitz

Angriff auf die Zweisprachigkeit

In Cottbus wurden in den vergangenen Wochen offenbar gezielt sorbisch-wendische Bezeichnungen auf Straßenschildern überklebt.

Ein Aufkleber mit Totenkopfmotiv und dem Namen des örtlichen Fußballviertligisten Energie Cottbus prangt auf einem Straßenschild in Cottbus und verdeckt dort teilweise die sorbisch-wen­dische Straßenbezeichnung. In mindestens 15 Fällen wurden seit Anfang Februar in der brandenburgischen Stadt mit knapp 100 000 Einwohnern die sorbisch-wendischen Namen auf Straßenschildern mehr oder weniger unkenntlich gemacht. »Die Tatsache, dass außer in zwei Fällen ausschließlich der in sorbischer Sprache geschriebene Straßenname überklebt wurde, lässt auf ein antisorbisches Motiv schließen«, sagte die stellvertretende Pressesprecherin des brandenburgischen Innenministeriums, Josefin Roggenbuck, der Jungle World. Elf der Aufklebermotive rechne das Innenministerium der Hooliganszene von Energie Cottbus, zwei weitere der rechtsextremen Szene zu. Drei Aufklebermotive seien nicht zuzuordnen gewesen. Die polizeilichen Ermittlungen dauerten jedoch derzeit noch an. In der Vergangenheit wurden schon mehrfach gegen die slawische Minderheit gerichtete Propagandaaktionen im Süden Brandenburgs mit der Szene der Fußballhooligans in Verbindung gebracht.

Elf der Aufklebermotive rechne das brandenburgische Innenministerium der Hooliganszene von Energie Cottbus, zwei weitere der rechtsextremen Szene zu.

In der Lausitz leben rund 60 000 Sorben, davon etwa 40 000 in Sachsen und 20 000 in Brandenburg. Die Zahl jener, die noch der sorbischen Sprache mächtig sind, soll weit geringer sein. »Wir gehen davon aus, dass in Sachsen circa 17 000 Menschen diese Sprache aktiv sprechen und in Brandenburg das Niedersorbische leider nur noch 5 000«, sagte der Vorsitzende des Dachverbands Domowina – Bund Lausitzer Sorben, Dawid Statnik, 2018 dem Deutschlandfunk.

Seit Jahrhunderten steht die slawische Minderheit unter enormem Assimilationsdruck. Ab dem 14. Jahrhundert durften sorbische Handwerker teilweise nicht mehr den Zünften beitreten. Nach der Reformation war die zumeist katholisch gebliebene Minorität verstärkt Angriffen auf ihre Sprache und Kultur ausgesetzt. 1667 befahl der Kurfürst von Brandenburg mit dem sogenannten Dezemberreskript die Vernichtung aller sorbischen Schriften und die Abschaffung sorbischer Gottesdienste. Auch in den darauffolgenden Jahrhunderten gab es immer wieder Eindeutschungsversuche in der Lausitz. Im Nationalsozialismus sollte die sorbische Minderheit in den sogenannten Bund Deutscher Osten, eine der wichtigsten Säulen der NS-Volkstumspolitik, eingegliedert werden. Nachdem dieses Ansinnen am Widerstand der sorbischen Organisationen scheiterte, wurden deren Tätigkeiten und die Verwendung der sorbischen Sprache stark ein-­
geschränkt.

Drei Jahre nach dem militärischen Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland und noch vor der Gründung der DDR beschloss der Sächsische Landtag ein »Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung«. In der DDR konnten zwar einige eigenständige Organisationsformen erhalten bleiben, trotzdem setzte sich der Rückgang des Sorbischen als Alltagssprache weiter fort.

Der Pressesprecher der Domowina, Marcel Brauman, bewertet im Gespräch mit der Jungle World das Überkleben sorbisch-wendischer Straßennamen »als Angriff auf die deutsch-sorbische Zweisprachigkeit im öffentlichen Raum der Lausitz«. In der Vergangenheit seien immer wieder Schmier­ereien aufgetaucht, die proklamierten, »dass die Lausitz oder ein bestimmter Ort ›deutsch‹ sein oder ›deutsch bleiben‹ solle, ungeachtet dessen, dass die Łužyca (niedersorbisch) beziehungsweise Łužica (obersorbisch) eine sorbisch geprägte Region ist«. Viele Sorbinnen und Sorben erlebten es auch, dass ihnen »Hier wird Deutsch gesprochen!« zugerufen werde, so Brauman, wenn sie sich in der Öffentlichkeit miteinander auf Sorbisch unterhielten.

»Die jüngsten Verunstaltungen sorbischer Straßennahmen in Cottbus sind besorgniserregend«, sagt die brandenburgische Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Julia Schmidt, der Jungle World. »Jeder Angriff auf sorbisch-wendische Symbole ist ein Angriff auf Brandenburg selbst«, so Schmidt. Sie und ihre Parteifreunde beobachteten »mit Sorge, dass solche Akte symbolischer Gewalt gegen Sorben/Wenden in letzter Zeit zuzunehmen scheinen – nun offenbar verstärkt auch in Brandenburg.« Besonders erschreckend sei dies »vor dem Hintergrund, dass rechtsextreme Aktivitäten auf dem Rücken der Pandemie zunehmend lauter und aggressiver werden«.