Vor 25 Jahren startete die Serie »Buffy the Vampire Slayer«

Mythos wider Willen

Vor 25 Jahren startete »Buffy the Vampire Slayer« im US-amerikanischen Fernsehen. Die Serie hat wohl mit die erbittertsten Fans, die allerdings oft aus verkehrten Gründen die Serie lieben. Außerdem wurden vor kurzem Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen den »Buffy«-Erfinder Joss Whedon laut.

»We thought you were a myth«, sagt die Professorin und Leiterin eines geheimen Militärlabors, das sich der Erforschung und Bekämpfung von übernatürlichen Kreaturen widmet, zu der jungen Frau, die ihr gegenübersitzt. Wie so oft antwortet diese, ihr Name ist Buffy Anne Summers, in einer Weise, die sich unmöglich aus dem Englischen in nur irgendeine andere Sprache übersetzen lässt: »Well, you are myth-taken.«

1997 war ein gutes Jahr für Frauenfiguren im Fernsehen: Die zynische Schülerin Daria, die Anwältin Ally McBeal und die Vampirjägerin Buffy flimmerten zum ersten Mal über die Mattscheibe. »Buffy the Vampire Slayer« startete tatsächlich nicht wie üblich im Herbst, sondern im Frühjahr, als sogenanntes mid-season replacement für die abgesetzte Serie »Savannah«. Den Fernsehsender The WB, der größtenteils Warner Bros. ­gehörte, gab es da gerade einmal zwei Jahre. Serienerfinder Joss Whedon hatte bereits 1992 den Buffy-Stoff zu einem lausigen Film mit demselben Titel wie die spätere Serie verarbeitet, den wohl aus guten Grund kaum ­jemand kennt. Dafür sind aber Whedons andere Arbeiten aus den Neunzigern geläufig: Er gehörte zum Drehbuchteam für den ersten Teil von »Toy Story« und schrieb den zu Unrecht von den Fans der Filmreihe gescholtenen »Alien Resurrection«, aus dem die eine oder andere Idee in die Drehbücher von »Buffy« wanderte. Sieben Staffeln wurden gedreht, die letzte Folge lief 2003.

Diejenigen, die in »Buffy« über den Umweg der Dekonstruktion »sich selbst« finden wollen, sei es politisch oder identitär, instrumentalisieren die Serie zwangsläufig – und verderben sie sich damit.

Nur zu oft ist »Buffy« nicht nur von den Machern, sondern auch von den Zuschauern als eine Serie beschrieben worden, die voller Metaphern stecke – fast schon verzweifelt fragt man sich in den Fankreisen, für was diese Monster in der Serie denn nun stehen, was sie bedeuten. Die Vampire und Dämonen, denen sich Buffy, die auserwählte Vampirjägerin, in den Weg stellt, sind diesem Verständnis nach Sinnbilder für die Qualen, die man als Teenager so durchstehen muss. Die ersten Staffeln folgen definitiv solch einer Idee: Die Highschool, die Buffy (Sarah Michelle Gellar) und ihre Freunde Willow (Alyson Hannigan) und Xander (Nicholas Brendon) besuchen, befindet sich ausgerechnet direkt über dem »Hellmouth«, dem Höllenschlund, aus dem die dämonischen Wesen auf die Erde kommen, und wenn Buffy das erste Mal mit ihrem Freund Angel (David Boreanaz) schläft, verwandelt er sich, der Vampir mit Seele, wieder in ein seelenloses Monster. Die Serie erklärt das mit einem Zauber, der ihm widerfahren ist und ihm die Seele zurückgab, allerdings nur so lange, bis er auch nur für einen Moment pures Glück erlebt. Ziemlich steile Metapher für eine Begebenheit, die wohl jedes Teenager-Mädchen kennt: Die Schule ist ein gruseliger Ort und der Liebhaber verwandelt sich nach dem ersten Sex in ein Arschloch.

Manche Fans gehen sogar so weit zu sagen, dass nicht nur die Dämonen in der Serie Metaphern darstellen, sondern gar die Hauptfigur Buffy selbst eine Metapher, und zwar für ihr Leben, das Leben der Zuschauer, darstelle. Buffy ist die perfekte Identifikationsfigur: Die seit Jahren äußerst nervende Debatte über Repräsentation, Identität und »Empowerment« in und durch audiovisuelle Medien nahm wohl mit »Buffy« ihren Anfang. Mittlerweile ist sie an einem Tiefpunkt angekommen. Auf dem Youtube-Kanal »Passion of the Nerd«, auf dem man einen doch sehr interessanten Episodenguide von »Buffy« schauen kann, fand kürzlich eine Diskussion per Videokonferenz statt, in der über die Lieblingsfolgen der Teilnehmer gesprochen wurde. Schnell kam die Sprache auf »The Body«, jene Folge von »Buffy«, in der die Mutter der Hauptfigur stirbt. Statt über die großartige Kameraarbeit und die irren Farben, die Dialoge und speziell über einen genialen Monolog, statt über Form und Inhalt, sprich Ästhetik zu reden, erzählten die Diskutanten reihum, welcher ihrer Verwandten bereits gestorben sei, wie sehr sie das mitgenommen habe und dass sie deswegen die Folge so sehr in ihr Herz geschlossen hätten. Dass diese Folge wegen ihrer eindrücklichen Machart auch Menschen rührt, die kein enges Familienmitglied verloren haben, dass der Reiz jedes ästhetischen Objekts gerade erst mal darin liegt, dass einem darin etwas Fremdes entgegentritt (auch wenn einem daran etwas vertraut ist), und dass es unfreiwillig ­komisch ist, ausgerechnet in einer Serie, im dem die Hauptantagonisten Untote sind, also das paradigmatische »Andere«, »sich selbst« finden zu wollen, das alles sind Einwände, die diese Leute wohl nur dazu bringen würden, mit den Achseln zu zucken.

Dass Buffy sinnbildlich für eine von der modernen Arbeitswelt kaputt­gemachte junge Frau stehen könnte, wird im Sammelband »Horror als Alltag« argumentiert, der 2010 im Verbrecher-Verlag erschien und einige Texte zur Serie vereinte. Annika Beckmann und Heide Lutosch beschreiben in ihrem Beitrag, dass Frauen Mitte dreißig Buffy so gut verstünden, da sie ebenfalls von dem Gedanken umgetrieben werden, un­ersetzlich zu sein. »Es ist das Gefühl: Wenn ich heute im Bett bleibe, geht die Welt unter.« Lutosch ging in ihrem Artikel für die Jungle World sogar noch weiter: »Die, die in der Serie bekämpft werden – Vampire und andere Monster –, haben auf das Leben der Hauptfiguren ähnliche Auswirkungen wie der Kapitalismus auf das Leben derjenigen, die als, sagen wir, in Leipzig oder Berlin lebende, akademisch gebildete Mittdreißiger vor der Glotze sitzen und ›Buffy‹ ­gucken.«

Filmstill aus »Buffy« zeigt Buffys 20. Geburtstag

Happy Birthday. In dieser Folge von »Buffy« aus dem Jahr 2000 feiert die Hauptfigur ihren 20. Geburtstag, in diesem März jährt sich die erste Ausstrahlung zum 25. Mal

Bild:
mauritius images / LANDMARK MEDIA / Alamy / Alamy Stock Photos

Der Kapitalismus tötet zwar nicht unmittelbar wie ein Dämon (ist er doch ganz im Gegensatz zu diesem auf die Arbeitskraft angewiesen), noch gefährden diejenigen junge Akademiker, die auch gern fernsehen, ihr Leben. Das Reden über Neoliberalismus, dass sich in der Zeit um 2010 schon längst in ein kulturalistisches verwandelt hatte, schlägt sich hier nieder. Klar, Buffys Kampf ist scheinbar endlos und erfordert einiges an Kreativität, während sie nicht bezahlt wird, schließlich ist ihre Arbeit eine, die ihr am Herzen liegt. Doch sich in dieser Weise in eine Reihe mit der Heldin einer Serie zu stellen, ist ziemlich weit hergeholt – wenn nicht sogar Selbstüberschätzung geschuldet, oder eben dem Zwang, alles in einen akademisch ausschlachtbaren Gegenstand zu verwandeln.

Anknüpfend daran gibt es auch jene Fans, die »Buffy« als eine linke, gar als eine kommunistische Serie interpretieren. So wie es die ziemlich enervierenden Fans der »Harry Potter«-Bücher gibt, die sich den ganzen Tag fragen, ob sie eher Schüler von Griffindor oder Hufflepuff sein würden, wenn es Hogwarts tatsächlich gäbe, so gibt es auch »Buffy«-Fans, die immer wieder auf eine Handvoll Szenen verweisen, die den ihrer Meinung nach linken Zug der Serie beweisen. Und ja, es stimmt: In einer Folge kämpft Buffy mit einem Hammer (!) und einer Sichel (!!) in einer Fabrik (!!!) gegen dämonische Sklaventreiber, in einer anderen preist ein Vampirführer die Massenproduktion und erfindet ein Fließband, auf dem Menschen das Blut ausgesaugt wird; Buffy wird in einer Folge von ihren Mitschülern zum »class protector« gekürt und ein anderes Mal als »warrior of the people« bezeichnet und ja, so wie das Poster für die Abschlussfeier der Highshool ­gestaltet ist, könnte darauf auch ohne Probleme »Brüder, zur Sonne, zur Freiheit« stehen – mit einer Erweiterung, denn immerhin sind hier mehr Schwestern als Brüder im Kampfe vereint.

Ein linker Fan von »Buffy the Vampire Slayer« ist auch Dietmar Dath, der sogar ein ganzes Buch über die Serie geschrieben hat. In »Sie ist wach«, 2003 erschienen, legte Dath dar, ­wieso er die Serie gern als »Kunst« bezeichne. »Von der phantastischen Kunst, von ›Sandman‹-Comics, Science-Fiction-Romanen, Zombiefilmen, Buffy-Episoden, hat mir ein Professor mal gesagt, ich müsse sie nicht als Kunst bezeichnen, derlei Aufwertung sei heute, im Zeitalter der Kulturstudien und Pop-Analysen, nicht mehr nötig.« Dath weiß natürlich, was ihm sein Professor damit sagen will, nämlich dass das, was er als Kunst bezeichnen will, für den Herrn Professor »Dreck« ist. Doch hat der Professor am Ende doch recht: Die Form von Aufwertung, die Dath trotzig durchzieht, ist nicht vonnöten. Sie negiert nicht nur den poppigen Charakter der Serie, nämlich gerade das Spiel mit Hoch- und Populärkultur, um es wiederum, einem professoralen Gestus selbst nicht unähnlich, zum hohen Kulturgut zu adeln. Den Begriff Kunst zu benutzen, um eine Serie wie »Buffy« zu charak­te­­risieren, wirkt letztlich auch nur wie ein hilfloser Versuch, sich das guilty pleasure schönzureden, das »Buffy« anscheinend verursacht.

 

So sind schlussendlich diese Versuche, die Serie auf Teufel (oder Dämon) komm raus zu intellektualisieren, als solche zu deuten, das eigene Dasein als Fan zu rationalisieren – eine extrem masochistische Angelegenheit. Diejenigen, die in »Buffy« über den Umweg der Dekonstruktion »sich selbst« finden wollen, sei es ­politisch oder identitär, instrumentalisieren die Serie zwangsläufig – und verderben sie sich damit. Denn »Buffy the Vampire Slayer« ist, und darüber wird zum Beispiel in der bereits seit 2001 herausgegebenen, exklusiv nur »Buffy« gewidmeten Online-Zeitschrift Slayage wenig gesprochen, eine Fantasy- und vor allem eine Actionserie. Jede Episode von »Buffy« läuft auf einen Kampf hinaus, und dieser hat es für gewöhnlich in sich, inklusive Kung-Fu-Einlagen. Diejenigen, die sich wissenschaftlich gerne mit Affekttheorie beschäftigen, kehren ausgerechnet ihren eigenen Affekten den Rücken, wenn sie bei solch einem Kampf mitfiebern könnten. Und diejenigen, die so gerne ­Metaphern entziffern und sich dabei wohl besonders schlau vorkommen, sind ausgerechnet keine Fans der sechsten und siebten Staffel von »Buffy«, die ohne Zweifel interessantesten und vielschichtigsten der gesamten Serie. Kein Wunder, denn die Metaphern wichen fortschreitend dem ganz buchstäblichen Grauen, das gar keine Bemäntelung, gar keine Sinnbilder mehr benötigt – fehlendes Geld, Sucht und zerbrochene Liebe.

Was den Fans, die etwas Besseres als Fans sein wollen, vor lauter Überidentifikation außerdem entgeht ist, dass Buffy eine mythologische Figur ist. Wenn Buffys Mutter Joyce herausfindet, was ihre Tochter ist, und sie schockiert fragt, ob sie etwas falsch gemacht habe, antwortet Buffy nur lapidar: »It’s just fate, Mom.« Gemäß den Gesetzen dieses Serienuniversums gibt es auf der Erde immer nur eine Slayerin, ausgestattet mit Superkräften, die sich außerordentlich schnell von Verletzungen erholt. Die erste Slayerin gab es schon zu Beginn der Menschheit, Männer hatten sie durch einen Zauber dazu ver­wandelt, selber kämpfen wollten sie nicht. Stirbt eine Slayerin, wird die nächste aktiviert. Buffy ist auserwählt, das Böse zu bekämpfen – dazu entschieden hat sie sich nie. Wozu sie sich aber entscheidet, ist, Freunde zu haben – ein Novum in der Geschichte der Dämonenjägerinnen.

Tara (Amber Benson) und Willow (Alyson Hannigan)

Under her spell. Die Beziehung zwischen Tara (Amber Benson) und Willow (Alyson Hannigan) ist nicht immer so harmonisch, wie es hier den Anschein hat

Bild:
mauritius images / Cinema Legacy Collection

Genau hier, in der Fiktion, und nicht in einem Identifikationsangebot ist das feministische Moment von »Buffy« zu finden. Und nicht nur das feministische: Buffy ist eine mythologische Figur, die den mythologischen Bann bricht und mit dem fi­nalen Schlag gegen das Böse Geschichte macht – und auch Buffys Abkehr von ihrem Schicksal als Slayerin ist geschichtsträchtig (dem britischen »Council«, das sie betreut, kehrt sie beispielsweise mit dem Satz »They’re in England. I don’t think they can tell which way my back is facing« den Rücken zu). Dass die Schülerin Buffy im Fach Geschichte eine ausgesprochene Null ist, was über Staffeln hinweg betont wird, bereitet diese Wendung vor. Ritual und Wissenschaft, Übersinnliches und Technisches, Mythos und Aufklärung bilden das Spannungsfeld, in dem die Figuren der Serie agieren. Wenn ein »monster of the week« auftaucht, werden erst mal in der Bibliothek Bände gewälzt oder das (damals noch neue) Internet konsultiert, bevor man mit einer mystischen Waffe oder einem Zauber gegen das Böse angeht. Dass die Serie damit regelrecht Geschichtsphilosophie entfaltet, wird in Fan- und Akademikerkreisen sträflich vernachlässigt.

Im Sommer 2020 wurden Vorwürfe von Schauspielern des 2017 angelaufenen Superheldenfilms »Justice League« gegen ihren Regisseur laut. Gewalttätig, übergriffig und unangenehm soll er am Set gewesen sein, sein Name: Joss Whedon. Auch Charisma Carpenter, die in »Buffy« die Figur Cordelia Chase gespielt hatte, erhob im Februar 2021 Vorwürfe gegen den Showrunner. Während der Dreharbeiten zu »Buffy« und dem Spin-off »Angel« habe er ihr gegenüber diverse Male seine Macht missbraucht, sie beleidigt oder mit Kündigung gedroht. Andere Darsteller aus »Buffy« unterstützten Carpenter, ohne in ­ihren Statements so ausführlich zu werden wie sie.

Whedon galt jahrzehntelang als der Vorzeigefeminist Hollywoods, vor allem wegen »Buffy«, einer Serie, die auch heute noch in feministischen und besonders in queeren Kreisen äußerst beliebt ist. Das hat gute Gründe: In der Serie wimmelt es von, wie man sagt, starken Frauenfiguren, zwei davon sind lesbisch, und die explizite Darstellung ihrer Liebesbe­ziehung ist eine der ersten dieser Art überhaupt im Fernsehen.

Doch es gibt noch eine andere feministische Komponente in »Buffy«, und die hat mit den männlichen Figuren sowie mit der Thematisierung des ­Geschlechterverhältnisses zu tun. Die Männer in »Buffy« sind allesamt ihrer Männlichkeit beraubt: Der »Watcher« Giles (Anthony Stewart Head), sozusagen Buffys Patron, bekommt andauernd einen ihn in Ohnmacht versetzenden Schlag auf den Kopf versetzt, dem Vampir Spike (James Marsters) wird ein Chip in den Kopf eingepflanzt, der ihn durch starke Schmerzen davon abhält, Menschen zu verletzen oder zu töten (man darf das ruhig als Kastration bezeichnen), und Buffys bester Freund Xander (Nicholas Brendon) ist ein trotteliger Klassenclown, der im Gegensatz zu seinen ausschließlich weiblichen Freunden Buffy (Slayer), Willow (Hexe) und Anya (Rachedämon) nicht über übersinnliche Kräfte verfügt, aber dennoch das »Herz« der Operation Dämonenjagd ist.

»Buffy« ist nicht feministisch in dem Sinne, dass hier alles in Ordnung wäre – vielmehr würde heutzutage wohl jede Folge mit einer ausufernden Triggerwarnung versehen werden.

»Buffy« ist nicht feministisch in dem Sinne, dass hier alles in Ordnung wäre – vielmehr würde heutzutage wohl jede Folge mit einer ausufernden Triggerwarnung versehen werden. Das hat vor allem mit den Gegnern, den »villains« in der Serie zu tun, fast ausschließlich misogyne Männer. Das kulminiert in den »big bads« der sechsten Staffel, den drei Freunden Warren, Andrew und Jonathan, den Nerds, deren erst eher harmloser Sadismus gegen Buffy am Ende zu mehreren toten Frauen führt. Vielleicht ist »Buffy the Vampire Slayer« dadurch eine feminis­tische Serie, dass hier feministische Theorie gewissermaßen aufgeführt wird – genau so, wie sie keine metaphorische Serie ist, sondern eine ­Serie über Metaphern.

Diese liegen eigentlich auch eh immer auf der Hand, dann zum Beispiel, wenn Spike nach der Implantation seines Chips versucht, Willow zu beißen, daran scheitert und die beiden daraufhin ein Gespräch führen, das so klingt, als würde ein Ehepaar über die Impotenz des Mannes diskutieren.

Dass die Serie überhaupt als eine gedeutet werden kann, in der mit Metaphern gearbeitet wird, hat damit zu tun, dass es hier eine große mythologische Erzählung gibt, das eine bedingt das andere, ist auch über den Witz immer wieder zusammengebunden. Postmodern inspirierte Zuschauer müssen das aber wie ­einen alten Zopf abschneiden. Geschichte kann nicht ohne die Ver­gangenheit gemacht werden, Zukunft ist nicht ohne Bewahren möglich, das wissen die Serienmacher besser als das Gros ihres Publikums, das die »großen Erzählungen« ablehnt. Die Mythologie wiederum beschränkt sich nicht nur auf den Inhalt, sondern ist auch ein literarischer Trick, nicht nur um einen starken erzähle­rischen Rahmen zu haben, sondern auch um in einem bombastischen fiktionalen Universum immer wieder Konventionen des Erzählens, gerade im Fernsehen, zu unterlaufen.

Die lesbische Beziehung zwischen Willow und Tara wird beispielsweise als eine zwischen zwei Hexen erzählt, die gemeinsam das Zaubern lernen und dadurch ein besonderes Band zueinander fühlen. Das klingt esoterisch, ist es aber nicht, denn auch im Jahr 2000 machte einem das Studio und der Sender immer noch Druck, wenn es um Homosexualität im Plot ging. Durch diesen Trick, aus zwei lesbischen Frauen zwei Hexen zu machen, war es möglich, auch teilweise sehr Frivoles zu schreiben.

Am Ende ist »Buffy the Vampire Slayer« genau das: eine auf höchstem Niveau geschriebene Serie, die sich dessen bewusst ist, dass sie ein langer Text ist. Und dieser ist so verzwickt, so kompliziert, so subversiv, so widersprüchlich, so übersinnlich und dennoch so real, dass, und das steht ganz in der Tradition der neunziger Jahre, in der Moderne und Postmoderne die Klingen kreuzten, sich die Serie der Hermeneutik gänzlich entzog, ihr sogar mutwillig entsagte. In einem Porträt über Whedon, das Lila Shapiro im Januar im New York Magazine veröffentlichte und das sich mit den Vorwürfen gegen ihn beschäftigte, wird eine Geschichte erzählt, nämlich die, dass Buffy-Fans absolut überzeugt davon waren, dass Buffy und ihre Slayer-Kollegin Faith eine romantische Affäre miteinander hätten. Whedon, der dieser im Internet kursierenden Theorie widersprach, ließ sich allerdings von einem Fan und ihrem Essay überzeugen, die genau diese These vertrat. Mit den Worten »By God, I think she’s right!« wird er im Text zitiert.

Am Ende der Serie stehen Buffy und ihre Freunde dem »First Evil« gegenüber

Vorbereitung auf den letzten Kampf. Am Ende der Serie stehen Buffy und ihre Freunde dem »First Evil« gegenüber

Bild:
mauritius images / LANDMARK MEDIA / Alamy / Alamy Stock Photos

Wenn nicht mal der Showrunner alles über seine Figuren weiß, dann kann eine Serie auch von Feministinnen geschaut werden, ohne dass ihr Erfinder sich immer angemessen verhalten hat, zumal er nicht der einzige Autor der Serie war; verstärkt wurde er von Rebecca Rand Kirshner, der unfassbar witzigen Jane Espenson und der später sogar zur Co-Showrunnerin aufgestiegenen Marti Noxon. Dann ist auch nicht jedes darin gesprochene Wort für bare Münze zu nehmen, genauso wenig, wie jedes davon dreimal in dekonstruktivistischer Manier umzudrehen ist. Dann ist es im besten Fall die Lust am (vielleicht auch undurchdringlichen) Text, die einen zum Schauen der Serie treibt, und nicht das Versprechen von Empowerment.

In den ersten drei Staffeln gibt es eine Figur, die ein Paradebeispiel für das Spiel mit Metaphern der Serie ist: den Schulleiter Snyder (Armin Shi­merman), ein niederträchtiger Quälgeist. Über Staffeln hinweg glaubt man als Zuschauer, er sei eigentlich ein Dämon, doch am Ende ist er nur das, was er eben ist: ein mieser Lehrer. In einer Folge kämpfen Buffy und ihre Freunde auf der Theaterbühne der Schule bei geschlossenem Vorhang mit Hilfe einer lebendigen Bauchrednerpuppe gegen einen absolut eklig aussehenden Dämon, der natürlich schließlich besiegt wird. In dem Moment öffnet sich der Vorhang, und die gesamte Schule sieht die absurde Szenerie. Die Kamera geht auf den erzürnten Snyder, der sagt: »I don’t get it. Is this avant-garde?« Eine bessere Zusammenfassung davon, was »Buffy the Vampire Slayer« ist, wird man nirgendwo finden.