Oskars Abgang

Das 14. Rad am Wagen

Oskar Lafontaine hat die Linkspartei verlassen.
Die preisgekrönte Reportage Von

Wohin treibt die Linkspartei? Das weiß im politischen Berlin derzeit niemand so recht zu sagen. Der ­russische Feldzug gegen die Ukraine hat die außenpolitische Position der Partei ziemlich durcheinandergewürfelt. Gregor Gysi distanzierte sich gleich mehrfach von sich selbst. Sahra Wagenknecht forderte eine ­rasche Kapitulation der Opfer, die sich teilweise gewalttätig den Raketen in den Weg stellen würden, um so das Ansehen Russlands zu beschädigen. Die Altkader Andrej Hunko und Sevim Dağdelen konnten hingegen in einem Diavortrag vor dem Bundestag erfolgreich nachweisen, dass Wladimir Putin durch eine List des US-amerikanischen Hauptimperialisten zum Angriffskrieg verführt wurde.

In all diese hektischen Positionierungen platzte der Rücktritt Oskar Lafontaines wie eine (kleine) Bombe in einem Butterfässchen. Der Mit­begründer der Partei, der sie in den nuller Jahren aus den Resten der PDS, der WASG, einiger verwirrter Splittergruppen aus dem Westen, Draht und Leim geformt hatte, war zum Zeitpunkt seines Rücktritts de facto das 14. Rad am Wagen, machte durch seine Sammlungsbewegung »Ausländer rausstehen!« und schlechtgelaunte Vorträge von sich ­reden; in Sachen Putin-Verehrung lieferte er sich außerdem ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit­ ­seinem ehemaligen Erzfeind Gerhard Schröder.

»Wir finden es schade, dass der Oskar diesen Weg gewählt hat«, heißt es vielsagend in einer Stellungnahme der Fraktion. »Es hätte ja auch jeder anderer sein können. Hauptsache, er führt ihn hinaus aus der Partei und ins verdiente Vergessen!« Man bemüht sich sichtlich um Geschlossenheit in einer Partei, die zunehmend aus übergeschnappten Einzelkämpfern zu bestehen scheint.

Vielleicht liegt in dem scheinbaren Problem auch eine Lösung? Das vermutet der langjährige Parteibeobachter Hal Pelzig: »Immer mehr Menschen machen sich selbständig – warum nicht auch politisch? Die Linkspartei könnte eine Art Forum sein für alle, die irgendwie gegen irgendwas sind. Also so wie die Piraten früher, nur ohne den ganzen Digitalkram.« Dazu müsse sich die Partei lediglich ihres Programms und ihres Vorstands entledigen. »Aber wenn wir sehen, wie wenig Bedeutung beides schon jetzt für die Mitglieder hat, sehe ich da kaum Probleme!«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.