Oskar Lafontaine ist aus der Linkspartei ausgetreten

Lafontaine tritt aus und nach

Am Sonntag wird der saarländische Landtag neu gewählt.

Der Zeitpunkt war gut gewählt. Am Donnerstag der vorigen Woche ist Oskar Lafontaine aus der Linkspartei ausgetreten, deren Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag er bis dahin war. »Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen«, wolle er »nicht mehr angehören«, hieß es in einer auf seiner Website veröffentlichten Austrittserklärung. Am Sonntag wird der saarländische Landtag neu gewählt.

Ob die Linkspartei bei dieser Wahl den Wiedereinzug ins Parlament schafft, war schon vor Lafontaines Austritt ungewiss. Sie erinnert im Wahlkampf mit dem Slogan »verlässlich sozial« an ihre vermeintliche Kernkompetenz; in Umfragen liegt sie bei vier Prozent. Der Austritt ihres prominentesten Landespolitikers dürfte kaum hilfreich sein.

Bereits in seiner Amtszeit als saarländischer Ministerpräsident bediente Oskar Lafontaine die Sehnsucht vieler nach einem wortgewaltigen starken Mann, der es »denen da oben« mal zeigt.

Bei der vorigen Landtagswahl 2017 erhielt die Linkspartei noch 12,8 Prozent der Stimmen. Doch der Höhenflug im Saarland, der stets eine Ausnahme in den westdeutschen Bundesländern war, war maßgeblich mit Oskar Lafontaine verbunden. Von 1985 bis 1998 war ­Lafontaine Ministerpräsident des Saarlands, damals noch als Mitglied der SPD, deren Vorsitzender er von 1995 bis 1999 war. 1998 wurde Lafontaine Finanzminister im ersten Kabinett des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), doch trat er schon 1999 von diesem Amt zurück. Sechs Jahre später wechselte er von der SPD zur Wahl­alternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), die sich in Reaktion auf Schröders »Agenda«-Politik gegründet hatte und zur Bundestagswahl 2005 ein Wahlbündnis mit der dama­ligen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) einging. 2007 fusionierten WASG und PDS zur Partei »Die Linke«, deren Co-Vorsitzender Lafontaine von der Gründung bis 2010 war.

Bereits in seiner Amtszeit als saarländischer Ministerpräsident bediente Lafontaine die Sehnsucht vieler nach einem wortgewaltigen starken Mann, der es »denen da oben« mal zeigt. Um selbst weiter oben zu bleiben oder gar noch höher hinauszukommen, warb er seit Ende der achtziger Jahre für eine gewerkschaftsfeindlichere Politik der SPD. Er sorgte sich um die Produktionsbedingungen am Standort (West-)Deutschland, trat für längere Maschinenlaufzeiten und das »Anpassen« von Tarifverträgen ein. Gewissermaßen bereitete er mit diesen später neoliberal genannten Positionen Schröders »Agenda 2010« und die Hartz-Gesetze sozialdemokratisch vor, auch wenn er sie später bekämpfte.

Für die von CDU und FDP gewünschte »Korrektur« des Artikels 16 des Grundgesetzes im Mai 1993, mit der das Grundrecht auf Asyl weitgehend ausgehöhlt wurde, organisierte er die Stimmen der SPD, ohne die die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht erreicht worden wäre. Das Sticheln gegen Geflüchtete, die Deutschen die Arbeit und das Geld wegnähmen, hat er bis heute beibehalten. ­Seine heutige Ehefrau Sahra Wagenknecht steht ihm dabei in nichts nach.

In diese Ansammlung von nationalistischen und scheinbar marktkritischen Positionen passt auch Lafontaines konstantes Wettern gegen die Coronamaßnahmen und sein Verständnis für Impfskepsis. Den heutigen Bundes­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschimpfte er im Juli vergangenen Jahres als »Covid-Heulboje«; »­sogenannte Experten«, verlautbarte er im gleichen Beitrag auf Face­book, würden »Arm in Arm mit der Pharmaindustrie den Teufel an die Wand malen, um möglichst viele Leute mit den Impfstoffen mit ›bedingter Marktzulassung‹ zu impfen und den nächsten Lockdown vorzubereiten«. Damit machte er der »Querdenken«-Bewegung unverhohlen seine Avancen.

In ähnlicher Weise stichelt er seit Jahren gegen Windräder und punktuell gegen Israel. In einem Interview mit der Welt begründete er im November vergangenen Jahres seine Entfremdung von der Linkspartei wie folgt: »Die Partei wollte grüner als die Grünen sein und hat sich auf deren bevorzugte Themen gestürzt: Klima, Gendern, ­Diversität, Migration.« In seiner Austrittserklärung behauptete er, dass der Parteivorstand »diejenigen, die für den sozialen und friedenspolitischen Gründungskonsens« der Partei »Die Linke« stünden, wozu er freilich sich zählt, aus der Partei drängen oder ausschließen wolle.

Sein Politikstil war schon zu SPD-Zeiten von dem Wunsch geprägt, vorab zu bestimmen, was dann innerparteilich nur noch nachholend zu legitimieren wäre. Wenn das nicht gelang, weil es entweder andere Mehrheiten gab oder mit Schröder einen Lafontaine allzu ähnlichen Machtmenschen, dann schmiss er hin und mimte die beleidigte Leberwurst.

In der saarländischen Linkspartei konnte Lafontaine sich bei den Abstimmungen über den Spitzenplatz auf der Landesliste für die Bundestagswahlen 2013 und 2017 nicht gegen den heutigen Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Thomas ­Lutze durchsetzen. Als sich das 2021 wiederholte, witterte Lafontaine eine Verschwörung: Bei den Wahlen sei geschummelt worden und Lutze habe Stimmen gekauft. All dies konnten weder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch solche der Bundespartei bestätigen. Im Gegenteil: Gegen den Kronzeugen für die Vorwürfe, Mekan Kolasinac, wurde in der vergangenen Woche wegen Urkundenfälschung und falscher Verdächtigung vom zustän­digen Amtsgericht ein Strafbefehl über 120 Tagessätze à 40 Euro erlassen.

Lafontaines Abgang von der politischen Bühne war stilecht: In seiner letzten Landtagsrede am Mittwoch der vorigen Woche, die größtenteils vom Krieg in der Ukraine handelte, ermahnte er abschließend alle Parteien, dass es darum gehen müsse, »für unsere Landsleute hier in diesem Land etwas zu ­erreichen«. Der linke universalistische Gleichheitsgrundsatz passt halt nicht in seinen nationalen Horizont. Und einen Tag später trat er aus der Linkspartei aus – konsequent für jemanden, der schon zur zurückliegenden Bundestagswahl davon abgeraten hatte, die eigene Partei zu wählen. Wenn Lafontaine nicht siegen kann, dann will er wenigstens schaden.