»Verzweiflungstaten« von Megan Nolan

Nach Liebe gieren

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Das Verhältnis zweier Menschen, die sich lieben oder zumindest so tun, ist immer eines von Abhängigkeit und Autonomie, Stärke und Schwäche auf beiden Seiten. Schmerzhaft wird es, wenn einer übergroße Macht über den anderen gewinnt und nicht davor zurückschreckt, diese auszuspielen. Von einer solchen asymmetrischen Liebesbeziehung erzählt die 1990 geborene Irin Megan Nolan in ihrem 2021 erschienenen Debütroman »Verzweiflungstaten«, der mittlerweile schon in vier Sprachen übersetzt wurde. Ciaran, der Freund der namenlosen Erzählerin, dominiert die Beziehung vor allem dadurch, dass seine Zuneigung unbeständig ist, er noch an einer anderen Frau hängt und oft von einem Moment zum anderen gefühlskalt wird. Während sie ihn anbetet, gibt er ihr gerade so viel Liebe und Aufmerksamkeit, dass sie verzweifelt nach mehr giert und sich dabei selbst verleugnet. Aber ist es wirklich so einfach? Hat sie, die gedemütigte Freundin, das alles nicht auch irgendwie gewollt? Schließlich habe sie niemand, vor allem nicht Ciaran, dazu gezwungen, bei ihm zu bleiben und etwa jeden Abend für ihn zu kochen, sich nach ihm zu richten und Erniedrigungen brav zu ertragen. Die Erzählerin stellt sich diese und andere Fragen, die auf die Komplexität missbräuchlicher Beziehungen zielen.

Dabei geht es auch um weibliche Subjektivität. Nolan offenbart einen ungetrübten Blick auf die Schwierigkeiten, denen sich junge Frauen in Hinblick auf Sexualität, Beziehungen und ihren Körper ausgesetzt sehen – erfrischend daran ist, dass ihre Erzählerin Ambivalenzen und ihre potentielle Handlungsfähigkeit nicht ausklammert, sondern präzise beschreibt.

Immer wieder durchbrechen ­Reflexionen aus der Zukunft, von einem anderen Ort, die ansonsten chronologisch erzählte Handlung – von einem Fluchtpunkt aus, der schon im Verlauf der dramatischen Entfaltung der vergifteten Beziehung aufzuzeigen scheint: Etwas anderes als das hier ist möglich. Man kann diesem Buch einzig vorwerfen, dass es ein page-turner ist und man daher viel zu schnell an jenem Ort angelangt.

Megan Nolan: Verzweiflungs­taten. Aus dem Englischen von Lisa Kögeböhn. Aufbau-Verlag, Berlin 2021, 303 Seiten, 20 Euro