Kein Alltag mehr im All
Friede, Freude, Eierkuchen: Das war das inoffizielle Motto der zivilen Raumfahrt, seit 1975 mit dem Aneinanderdocken eines Apollo- und eines Sojus-Raumschiffs die Ära der Weltraumdiplomatie zwischen den USA und der UdSSR begann. Dann folgte Westbesuch auf der sowjetischen, später russischen Raumstation Mir und schließlich weitreichende länderübergreifende Kooperationen mit russischer Beteiligung, zum Beispiel die Internationale Raumstation ISS und regelmäßige Satellitenstarts mit russischen Sojus-Raketen im Auftrag des Startdienstleisters Arianespace, einer Ausgründung der europäischen Weltraumagentur Esa.
Damit ist es nach dem Überfall auf die Ukraine bis auf weiteres vorbei: Als Antwort auf EU-Sanktionen gegen Russland kündigte die russische Weltraumbehörde Roskosmos ihre Zusammenarbeit mit Arianespace in Französisch-Guayana auf. Von dort sollten dieser Tage eigentlich diverse europäische Satelliten mit Sojus-Raketen ins All gebracht werden.
Die Esa hatte zunächst noch auf business as usual gehofft – im Namen der Diplomatie, und unausgesprochen natürlich auch, weil man ungern auf die zuverlässige russische Technologie und lange geplante Projekte verzichten wollte. Inzwischen wurde jedoch beispielsweise der für Herbst 2022 vorgesehene Start des russisch-europäischen Exomars-Rovers abgesagt.
Am vergangenen Wochenende kündigte Roskosmos-Direktor Dmitri Rogosin zudem an, Schritte zur Beendigung der Kooperation auf der ISS einzuleiten, sollten die Sanktionen gegen sein Land nicht aufgehoben werden; schon Ende Februar hatte er damit gedroht, man könne die ISS auch einfach abstürzen lassen.
Zunächst herrschte dennoch Alltag in der WG im All, die derzeit den Deutschen Matthias Maurer mit einer US- und einer russischen Crew beherbergt. Bei Letzterer gab es Mitte März einen Schichtwechsel – wobei die drei neuen Mitglieder mit ihren an die ukrainische Flagge erinnernden, gelb-blauen Overalls für Spekulationen sorgten. Dass es sich um eine subtile Antikriegsbotschaft handelte, ist leider unwahrscheinlich, denn die Kosmonauten wählen ihre Kleidung Monate im Voraus aus. Einer der Neuankömmlinge, Oleg Artemjew, sagte lapidar, es habe sich eine Menge gelbes Material angesammelt. Roskosmos wiederum gab bekannt, es handele sich um die Farben der Staatlichen Technischen Universität Moskau, an der die Raumfahrer ausgebildet worden waren.
Vielleicht ist aber auch eine Propagandaaktion nach hinten losgegangen: Immerhin jährte sich im März die Annexion der Krim 2014, und wäre der Krieg nach Plan verlaufen, hätte man zugleich die »Befreiung« der gesamten Ukraine bejubeln können.
Ob nun Zufall oder Gegenteil dessen, was bezweckt war: Man könnte die Symbolik der Overall-Farben als Fingerzeig verstehen – von ganz oben sozusagen.