Die russische Politik folgt imperialen Traditionen des Zarenreichs und der Sowjetunion

Warum Russland Krieg wollte

Die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin geht auf die imperialen Traditionen des Zarenreichs und der Sowjetunion zurück.

»Meinst du, die Russen wollen Krieg?« fragte Jewgenij Jewtuschenko 1961 in seinem berühmten Gedicht. Er konnte mit einem klaren Nein antworten. Heutzutage ist das nicht mehr so einfach. Zwar gibt es in Russland Proteste gegen den Krieg in der Ukraine. Schon am Tag des Überfalls auf das Nachbarland unterschrieben Hunderte Wissenschaftler einen offenen Brief gegen die Aggressoren im Kreml. In allen größeren Städten Russlands fanden Friedensdemonstrationen statt, Tausende Menschen wurden festgenommen. Die russische Regierung hat jedoch deutlich gemacht, dass ihr nicht am Frieden gelegen ist. Ein großer Teil der Bevölkerung steht immer noch hinter ihr.

Der Krieg in der Ukraine geht auf eine dreifache Dynamik zurück. Soziale Probleme treffen mit imperialen Traditionen zusammen. Sie haben sich aus dem 19. Jahrhundert über die Zwischenkriegszeit und den Kalten Krieg in die Gegenwart verlängert. Dazu kommt ein besonderes Verhältnis von politischer und ökonomischer Macht.

Aus dem KGB bringt Putin sein Verständnis von Macht- und Geopolitik mit. Sein Desinteresse an ökonomischen Fragen, das sich auch im Krieg in der Ukraine zeigt, stammt ebenfalls aus dieser Zeit.

Der Einfluss der sozialen Verhältnisse ist leicht erklärt. Er lässt sich auf den Begriff des Sozialimperialismus bringen, den der Historiker Hans-Ulrich Wehler für das Deutsche Kaiserreich prägte: Innenpolitische Probleme werden außenpolitisch kompensiert. Das trifft auch auf Russland zu. Aus der Verhaftung Aleksej Nawalnyjs, des bekanntesten und einflussreichsten Oppositionellen, vor einem Jahr, den Schikanen gegen die unabhängige Zeitung Nowaja Gaseta oder dem Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial im Dezember 2021 sprach zweifellos der Autoritarismus des Regimes. Ein Zeichen von Stärke waren sie jedoch nicht. Wer sich seiner Macht sicher ist, kann es sich leisten, der Presse und NGOs gewisse Freiheiten zu gewähren.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::