Elon Musk möchte Twitter kaufen

Wunsch nach Kontrolle

Was kümmert mich der Dax Von

Meine Villa, mein Sportwagen, meine Jacht – mit so etwas prahlen gewöhnliche Reiche. Womit aber prahlt man, wenn man der reichste Mensch der Welt ist? Elon Musk, dessen Vermögen der Bloomberg Billionaire Index auf 252 Milliarden US-Dollar schätzt, würde wahrscheinlich gerne sagen: Meine Raumflotte, meine Kolonie, mein Planet. Doch ob ein Raumschiff seines Unternehmens Space X tatsächlich 2029 den Mars erreichen wird, wie er ankündigte, ist ­keineswegs ausgemacht, und selbst wenn das der Fall sein sollte, dürfte es Bedenkenträger und Innovationsfeinde geben, die meinen, daraus ließe sich kein Besitzanspruch ableiten.

Da liegt es nahe, sich zunächst auf der Erde kleinere Wünsche zu erfüllen. Musk twittert begeistert, musste jedoch immer wieder erleben, dass seine Tweets ihm unliebsame Reaktionen auslösten. Die Klagen gewöhnlicher Sterblicher kann er meist ­ignorieren, nicht aber die US-Börsenaufsicht SEC, die ihn mehrmals sanktionierte. 2018 kostete ihn der Streit über einen seine Firma Tesla betreffenden Tweet 20 Millionen US-Dollar, überdies musste er seine Tweets, die Tesla betreffen, fortan vor der Ver­öffentlichung Anwälten der Firma vorlegen. Das findet Musk empörend, er meint, Twitter sei nicht in ausreichendem Maß der Meinungsfreiheit verpflichtet. Was liegt da näher, als den Laden einfach zu kaufen? Musk besitzt bereits 9,2 Prozent der Unternehmensanteile, nun bietet er anderen Anteilseignern den über dem Kurs liegenden Preis von 54,20 US-Dollar pro Aktie.
Besonnene Beobachter mögen einwenden, dass sich die Gesetzeslage nicht ändert, wenn Musk Eigentümer des Unternehmens ist – und die SEC kann nicht einmal er kaufen. Experten spekulieren nun dar­über, welche Möglichkeiten Musk hätte, die Firmen­politik zu ändern, oder ob er andere Motive hat. Dass alles nur ein Trick ist, um den Aktienkurs hochzutreiben, kann aber wohl ausgeschlossen werden. Die Unternehmensführung reagierte mit einer als »Giftpille« bezeichneten Maßnahme, die anderen Anlegern den günstigen Kauf zusätzlicher Aktien ermöglicht, wenn Musks Anteil 15 Prozent überschreiten sollte. Musk drohte – natürlich auf Twitter – den Vorstandsmitgliedern daraufhin am Montag, ihr Gehalt werde »null Dollar betragen, wenn mein Angebot erfolgreich ist«.

Die wahrscheinlichste Lösung des Rätsels ist, dass Musk sein Lieblingsmedium unter Kontrolle bekommen will und den Rest auf sich zukommen lässt – ­Zivilprozesse zu verlieren, kann er sich ja leisten. Ein Verteidiger der Redefreiheit ist er nicht, mehrere ­interne Kritiker von Tesla etwa wurden gefeuert. Auf Twitter sammelt er vielmehr einen Hofstaat um sich und veranstaltet Referenden – seiner versuchten Übernahme ging Ende März eine Abstimmung über die Frage voraus, ob das Unternehmen sich hinreichend für die Redefreiheit einsetze. Musk möchte sich feiern lassen. Das ist in der Geschichte des Unternehmertums nicht ungewöhnlich, doch ist ein gewisser kultureller Abstieg erkennbar. Von der Florentiner Wollwebergilde bekam die Welt Michelangelos David-Statue, von Solomon R. Guggenheim ein ansehnliches Museum – von Musk hingegen nur Gezeter. Wenn er wirklich einmal eine Expedition zum Mars ­finanziert, ist beim Anheuern Vorsicht geboten. Sollte es zu Unstimmigkeiten kommen, würde er vermutlich sagen: Meine Raumflotte, meine Kolonie, meine Atemluft.