Kritik der Mitte
»Geographie als Argument« betitelt Tilo Felgenhauer sein Buch, das zeigt, wozu die Wissenschaft von der Erdoberfläche manchmal herhalten muss. Jenseits der Beschreibung und Untersuchung landschaftlicher Erscheinungen werden Schlüsse für politische Prozesse aus diesen Gegebenheiten gezogen. Das ist nicht überraschend. Raumwahrnehmung ist mit Interpretation verbunden. Wir Menschen sehen Räume selten als neutral an, sondern setzen uns zu ihnen in Beziehung. Wir messen ihnen Werte zu, glauben sogar, diese in den Räumen selbst vorzufinden, statt diese einfach in der Landschaft liegen zu lassen. Raumordnung schafft Sicherheit. Das war an der Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie und der Deutung von Orten als Nabel der Welt bereits nachzuvollziehen. Ebenso bedeutungsgebende Wirkung können geographische Mittellagen haben – die man zuvor natürlich erst einmal als solche bestimmen musste. Sinnstiftung ist ohne Konstruktionsleistung nicht zu haben.
Die Herzlandkarte ist derart arrangiert, dass Zentralasien in der Mitte liegt und Ostasien, Europa und Afrika wie Blütenblätter davon abstehen. Dass diese konstruierte Zentrallage nichts über Weltpolitik aussagt – geschenkt. Man muss daran glauben. So mag die Heartland-These vor allem als Warnung vor der Macht der Bilder dienen.
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