Die Bundesregierung versucht, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren

Patriotismus mit ökologischem Antlitz

Die Bundesregierung versucht, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren. Dadurch soll die Transformation zu einem weniger klimaschädlichen Kapitalismus beschleunigt werden – auch auf Kosten des Umweltschutzes.

In Sammlungen historischer Dokumente über den Ersten und Zweiten Weltkrieg bilden sie ein eigenes Genre: die Aufrufe aller kriegsführenden Staaten an ihre Bevölkerung, Energierohstoffe zu sparen. Die damals erst kürzlich motorisierten Armeen und die Rüstungsindustrie verbrauchten diese Ressourcen in einem Umfang, der nur schwer zu decken war. In den vergangenen Wochen konnte man eine Art ­Remake dieser Aufrufe zu erleben. So zum Beispiel, als der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) im Gespräch mit der Funke-Mediengruppe an die Bevölkerung appellierte, weniger zu heizen, abends die Vorhänge zuzuziehen und öfter mal das Auto stehen zu lassen. Oder als die kommunalen Berliner Bäder-Betriebe ankündigten, ihr Badewasser um zwei Grad weniger zu erwärmen, um die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.

Die gesparte Energie soll jedoch nicht die Bewegungsfähigkeit der Bundeswehr oder die Produktion von Granaten absichern, sondern schlicht die Grundlagen der deutschen Volkswirtschaft. Denn die metallverarbeitende wie auch die chemische Industrie, entscheidende Sektoren der deutschen Exportwirtschaft, benötigen kontinuierlich riesige Mengen günstiger Energie, vor ­allem in Form von Erdgas. Über Jahrzehnte haben verschiedene Bundesregierungen dafür gesorgt, dass ein Großteil davon aus Russland kommt. Deutschland wurde zum größten ­Abnehmer russischer Energieexporte.

In den ersten zwei Monaten seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Deutschland insgesamt 9,1 Milliarden Euro an Russland für fossile Energieträger gezahlt.

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