Eine Gruppe sogenannter Prepper hat offenbar Anschläge auf Stromtrassen geplant

Strom aus für den Tag X

Von bewaffneten sogenannten Preppern drohen Gewalttaten. Das zeigt auch das Beispiel einer Gruppe aus der Oberpfalz, die Anschläge auf Stromleitungen geplant haben soll.

Zwei Jahre Pandemie scheinen dazu beigetragen haben, dass sich mehr Menschen für das »Preppen« interessieren. Zu dieser Einschätzung kommt der Sozialwissenschaftler Mischa Luy, der seit Jahren zu diesem Phänomen forscht. Sogenannte Prepper rechnen mit Katastrophen und oft auch mit ­einem gesellschaftlichen Zusammenbruch. Darauf bereiten sie sich vor, ­indem sie zum Beispiel Nahrungsmittel horten oder Waffenlager anlegen.

Seit 2018 hätten sich die Mitgliederzahlen in den einschlägigen Online-Gruppen fast verdoppelt, sagt Luy der Jungle World. »Die Milieus der ›Querdenker‹ und Prepper ergänzen sich an bestimmten Punkten der Krisenwahrnehmung«, das »Systemaussteigerdenken« habe sich verbreitet. Der Staat werde entweder als Katalysator für die bestehenden und nahenden Katast­ro­phen oder gar als deren Verursacher und deshalb als Feind angesehen.

Ob derzeit durch Überschneidungen zwischen den Ansichten und Milieus der sogenannten Reichsbürger, der Coronaleugner, Prepper und Verschwörungsgläubigen eine neue, womöglich auch terroristische Gefahr entsteht, kann schwer eingeschätzt werden. Dafür sprechen jedoch die Razzien, die die Polizei Mitte April gegen die Gruppe »Vereinten Patrioten« vornahm. Diese hatte versucht, sich zu bewaffnen. Sie plante wohl, den gesellschaftlichen Kollaps herbeizuführen, um dann die Macht in Deutschland zu übernehmen. Die mutmaßlichen Mitglieder stammten teils aus dem »Querdenker«-Milieu, ­eines ihrer obersten Ziele war offenbar die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Welche Gefahr von Preppern drohen könnte, zeigte auch eine Durchsuchung der bayerischen Polizei am 30. März in der Oberpfalz. Verschiedene bundesweite Razzien gegen rechtsextreme Strukturen in den vergangenen Wochen – gegen Combat 18 Deutschland, die Atomwaffen Division Deutschland, Knockout 51 und zuletzt die »Vereinten Patrioten« – hatten die Durchsuchungen in der Oberpfalz bald aus den Nachrichten verdrängt, obwohl insgesamt etwa 290 Einsatzkräfte beteiligt waren, darunter Spezialeinheiten. Die Beamten hatten mehrere Wohnungen und Gebäude in Stadt und Landkreis Neumarkt durchsucht. Gegen sechs Männer im Alter zwischen 34 und 59 Jahren wird ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, Anschläge auf Freileitungsmasten von großen Stromtrassen geplant zu haben, um die Stromversorgung in weiten Teilen Deutschlands zu unterbrechen. Zudem werden sie des illegalen Waffen­besitzes beschuldigt. Etwa 70 Schusswaffen, darunter 21 Kurzwaffen und 54 Langwaffen wie etwa Jagdgewehre, wurden beschlagnahmt, zudem mehrere Zehntausend Schuss Munition sowie Laptops und Mobiltelefone.

Der Polizei zufolge gehören die Beschuldigten zur Prepperszene, bei den Durchsuchungen wurden auch 3 000 Liter unzulässig gelagerter Diesel gefunden. Es hätten sich hier, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) noch am selben Tag, »die bedenkliche Affinität zu Waffen und Verhaltensmuster der Prepperszene« gezeigt. Zudem würden Verbindungen in die bayerische Reichsbürgerszene überprüft. Die sechs Männer hätten sich seit längerem gekannt, die Gruppe sei aber nicht Teil eines größeren Netzwerks gewesen, berichtete der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf einen Polizeisprecher.

Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberpfalz in Regensburg teilte der Jungle World mit, es lägen noch keine neuen Erkenntnisse vor, es werde weiter ermittelt. Der Einsatz habe »zunächst der akuten Gefahrenabwehr aufgrund der Sabotageplanungen an kritischer ­Infrastruktur« gedient. Hinweise auf Zusammenhänge mit der Gruppe »Vereinte Patrioten« – offenbar lebt mindestens einer ihrer Rädelsführer im Landkreis Landshut, also im benachbarten Regierungsbezirk Niederbayern – gäbe es bislang nicht, die Ermittlungen verliefen »bisher unabhängig«. Ob hier eine neue »Mischszene« aus Preppern, Reichsbürgern, Coronaleugnern und (organisierten) Rechtsextremen entstehe, werde aber be­obachtet.

Der Begriff »Prepper« leitet sich vom englischen to be prepared ab, also »vorbereitet sein«. Preppern gemeinsam ist, dass sie sich auf Krisen, Katas­trophen und den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung vorbereiten. Sie bezweifeln, dass der Staat in solchen Fällen noch handlungsfähig wäre und seine Bürger schützen könne. Auch rechnen sie nicht mit Solidarität und Hilfe; nur individuelle Vorsorge könne das Überleben sichern. Deshalb legen Prepper Lebensmittel-, Benzin- und zum Teil Waffenvorräte an und trainieren für »den Ernstfall«. Dass es große Überschneidungen mit kulturpessimistischen und rechtsextremen Kreisen mit hoher Waffenaffinität gibt, liegt nahe. Doch dem Sozialwissenschaftler Mischa Luy zufolge ist ein Großteil der Prepperszene politisch kaum aktiv, sondern eher fatalistisch und wenig missionarisch. Die meisten verfolgten eine Art »Anti-Agenda, nach der sie sich nur auf eine unsichere Zukunft vorbereiten und abwarten können«.

Doch einem Teil der Szene reicht es offenbar nicht mehr, sich nur vorzu­bereiten. Manche haben sich so weit rechtsextrem radikalisiert, dass sie eine sogenannte akzelerationistische Stra­tegie verfolgen. Sie wollen den gesellschaftlichen Zusammenbruch beschleunigen, um im dann entstehenden Machtvakuum mit politischen Feinden abrechnen zu können. Auch die »Vereinten Patrioten« hatten ­offenbar außer der Entführung von Gesundheitsminister Lauterbach Sprengstoffanschläge auf Stromleitungen und Umspannwerke geplant. Das sollte zu einem bundesweiten Stromausfall, Chaos, Bürgerkrieg und zu ­einer Situation führen, in der die Bundesregierung gestürzt werden könnte.

Das ARD-Politmagazin »Report Mainz« berichtete, einer der fünf Hauptverdächtigen im Fall der »Vereinten Patrioten«, Sven B., habe bereits vor einem Jahr offen Umsturzpläne ge­äußert. Bei einem Interview auf einer Coronaleugnerdemonstration im März 2021 in Kassel sagte er in die Kamera: »Wir wollen dieses System ­weghaben.« Sven B. war, ebenso wie ein anderes führendes Mitglied der »Vereinten Patrioten«, früher Offizier der NVA. Er scheint dem Bericht zu­folge zudem der Reichsbürgerbewegung und einer Organisation namens Nationale Befreiungsbewegung Russlands nahezustehen. Bei Letzterer handele es sich der Rechtsextremismus­expertin Andrea Röpke zufolge um einen »Fanclub Putins, der für Unruhe in Europa sorgen will«, sagte sie »Report Mainz«.