Die Russophilie in Deutsch­land gründet in einer antiaufklärerischen Haltung

Deutsch-russische Liaisonen

Verhohlene Bewunderung für großrussischen Chauvinismus hat in Deutschland eine ebenso lange Geschichte wie der Traum von einer eurasischen antiwestlichen Front mit Russland. Nicht zuletzt speist sich die deutsche Russophilie aus der völkischen Phantasie Fjodor Dostojewskijs.
Essay Von

Sowohl die in Russland kursierenden National­ideo­logien als auch ihre westlichen Sympathisanten auf rechter wie linker Seite erneuern zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein geistiges Wechselverhältnis, das nunmehr gut 200 Jahre währt. Im europäischen Geschichtsnarrativ figurierte Russland stets als Inbegriff von Despotie, halbasiatischer Alterität und imperialer Gefahr, als das ideelle Andere des liberalen westlichen Gesellschaftsentwurfs. Doch ist das nur eine Seite der Geschichte. Kaum aufgearbeitet und doch nicht minder stark war die Faszination für das russische Modell oder zumindest für das, was man dafür hielt.

In Deutschland beschränkte sich Russophilie nicht auf Exotismus und Begeisterung für russische Literatur und Kultur, sondern zeitigte oft eine Identifikation mit einer angeblich russischen Geistesart als Antidot zur Aufklärung sowie mit den imperialen Potenzen Russlands als Desiderat einer antiwestlichen Weltordnung. Von den Romantikern über die Rechtsnationalisten und Nationalbolschewisten der Weimarer Republik bis zur Neuen Rechten Europas und vielen linken Antiimperialisten spannt sich dieses Kontinuum. Deutsche und russische Diskurse standen dabei stets in osmotischem Austausch.

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