Gedrängel auf der Kriegsbühne

Gedrängel auf der Bühne

Was kümmert mich der Dax Von

Wenn man in der frühen Neuzeit von Kriegstheater (theatrum ­belli) sprach, lag dem die Vorstellung zugrunde, Feldzüge und Schlachten seien Inszenierungen der Kommandeure. Ohnehin wähnte sich der adlige Barockmensch in jeder Lebenslage auf einer Bühne, aber er spielte seine Rolle nur für seinesgleichen. Das kann sich heutzutage auch ein Diktator nicht mehr erlauben. In der Epoche der sozialen Medien herrscht ein solches Gedrängel auf der Bühne, dass nicht immer klar ist, wer Intendant oder Hauptdarsteller ist und wer nur meint, sein teurer Logenplatz berechtige ihn zu einem Auftritt. 

Die Inszenierung ist multimedial und vor allem interaktiv – das Publikum entscheidet mit darüber, mit welcher Rüstung die beiden Hauptdarsteller in den noch kommenden Akten auftreten werden. Die Rollen hat der Weltgeist gut besetzt. Mit seinen versteinerten Pausbacken gibt Wladimir Putin den stoischen KGB-Bösewicht sehr überzeugend. Dramaturgisch betrachtet bedarf es in der Rolle des tapferen Underdogs eines charismatischer Gegenspielers mit lebhafterer Mimik und einer Heldenreise als Vorgeschichte: ein Komiker, der den Präsidenten spielte, dann Präsident wurde und an der mission impossible Korruptionsbekämpfung scheiterte, aber nun im Krieg heroisch erstrahlt. Gelungen ist auch die Bühnenaus­stattung der beiden. Hohler imperialer Prunk versus nüchternes Bunker-­Design – das hätte sich ein Requisiteur kaum besser ausdenken können, Putins Tische sind allerdings ein wenig over the top. Sleepy Joe Biden ist als dritter Hauptdarsteller im Hintergrund ebenfalls eine gute Wahl, denn unbedachtes overacting in seiner Rolle könnte das Kriegstheater allzu interaktiv ­gestalten.

Beim Schaulaufen in Kiew wähnt sich nun mancher Kleindarsteller, der beim Casting gerade mal so durchgekommen ist, in einer Hauptrolle. Einige prominente Zuschauerinnen und Zuschauer verfallen dem Irrglauben, gerade ihre Kommentare seien von herausragender Bedeutung. Einfluss aber könnte das Publikum nehmen, vor allem darauf, ob man den Bösewicht weiterhin mit Milliarden überschütten will, nur weil er immer mal wieder droht, den Zuschauerraum anzuzünden, falls ihm das Ende des Stücks nicht behagt.

Man muss berücksichtigen, dass das Publikum in Russland und China ein ganz anderes Stück zu sehen bekommt und Putin ebenso seine Fangemeinde hat wie Darth Vader oder der Joker. Dennoch ist bereits jetzt klar, dass die Dinge nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch in der öffentlichen Darstellung des Kriegs anders laufen als von ihm gewünscht. Darf man so optimistisch sein, zu glauben, dass die Realität doch noch eine Rolle spielt? Jedenfalls haben die Inszenierungen der russischen Propagandamaschine diesmal weit weniger Erfolg als bei der US-Wahl 2016 oder dem »Brexit«-Referendum.