Der Zustand der Pressefreiheit in Deutschland könnte besser sein

Reporter mit Grenzen

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Deutschland erneut abgestiegen. Grund sind vor allem tätliche Angriffe bei »Querdenken«-Demonstrationen. Aber auch die Polizei, die rechtliche Lage und wirtschaftliche Probleme machen Medien zu schaffen.

Ein Reporter fotografiert auf einer Demonstration. Dann brüllen Teilnehmer des Aufmarsches ihm und seinen Kolleginnen Beleidigungen und Drohungen entgegen, die Ordner der Veranstaltung stellen sich breitschultrig vor die Kameras. Auf Nachfrage des Reporters heißt es von der Polizei nur: »Tja, da kann ich jetzt auch nichts machen.«

Diese Szene ereignete sich bei einer Neonazi-Demonstration im vergangenen Jahr in Thüringen. Doch eigentlich spielt kaum eine Rolle, wo und wann sie stattgefunden hat. Denn sie ist ein typisches und eigentlich noch harm­loses Beispiel für den Arbeitsalltag von Journalisten und Journalistinnen auf Demonstrationen in Deutschland. Einschüchterungsversuche und schlimmstenfalls auch Gewalt durch Demons­trationsteilnehmer sind nichts Ungewöhnliches, ebenso wie eine nur bedingt hilfreiche Polizei.

Bei zwölf der 80 im Jahr 2021 dokumentierten Übergriffe auf Pressevertreter waren nicht Demonstrierende, sondern Poli­zeibeamte die Täter.

Dass es sich nicht nur um einzelne Anekdoten handelt, belegt die jährliche »Rangliste der Pressefreiheit« von Reporter ohne Grenzen. Anfang Mai hat die Nichtregierungsorganisation deren neueste Ausgabe vorgestellt. Sie basiert auf Umfragen unter Journalisten und anderen Beobachtern. Die ersten Plätze belegen Norwegen, Dänemark und Schweden, die Schlusslichter sind Iran, Eritrea und Nordkorea. Schon im vergangenen Jahr hatte Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefreiheit in Deutschland von »gut« auf nur noch »zufriedenstellend« heruntergestuft. Nun ist Deutschland von Platz 13 noch weiter auf Platz 16 abgerutscht. Dafür gebe es drei Gründe: Die abnehmende Medienvielfalt, Gesetze, die Journalisten und ihre Quellen gefährden, sowie »allen voran« die Gewalt auf Demons­trationen. 80 bestätigte gewalttätige Übergriffe auf Journalisten zählt Reporter ohne Grenzen, 52 davon haben sich auf Protesten gegen die Coronamaßnahmen ereignet.

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