Beim Parteitag der NPD scheiterte der Versuch, die Partei umzubenennen

Letzter Rettungsversuch

Seit Jahren geht es mit der NPD nur bergab. Bei dem Bundesparteitag vor zwei Wochen sollte unter anderem ein Namenswechsel die Wende einleiten, doch der Antrag scheiterte.

Der Vorsitzende der NPD, Frank Franz, hatte nach dem Bundesparteitag am 15. Mai viel zu erklären. Seine erneute Kandidatur hatte er vor der Delegiertenkonferenz in Altenstadt (Hessen) in der Wetterau ursprünglich vom Erfolg eines Antrags des Parteivorstands abhängig gemacht, die NPD in »Die Heimat« umzubenennen. Auf seinem Facebook-Account schrieb der 43jährige Saarländer am 13. Mai, dass er auf dem Weg zum Parteitag sei, dem »vielleicht wichtigsten Parteitag, den die NPD je erlebt hat«. Nach dem Wochenende hieß die Partei jedoch immer noch NPD und Franz war weiterhin ihr Vorsitzender.

Schon am Abend nach dem Parteitag wandte sich Franz in einem Youtube-Video an die Parteibasis. Darin begründete der inzwischen wiedergewählte Vorsitzende seine Kandidatur damit, dass es ja eine Mehrheit für die Um­benennung der NPD gegeben habe. Jedoch hätten am Ende drei Stimmen zur notwendigen Zweidrittelmehrheit gefehlt, die für eine Umbenennung notwendig sei. Er habe mächtig unter Druck gestanden, räumte Franz ein, und am Ende habe er sich die Frage stellen müssen: »Überlassen wir die Partei unseren Gegenkandidaten oder schlucke ich die Kröte?« Franz hat sie geschluckt und möchte den von ihm verfolgten Veränderungskurs nun vorerst unter dem alten Parteinamen fortsetzen.

Bei den im Juni anstehenden Landrats- und Bürgermeisterwahlen wollen die zwei wichtigsten NPD-Kader Sachsens, Stefan Hartung und Peter Schreiber, als Kandidaten der Neonazi-Kleinstpartei Freie Sachsen antreten.

Die NPD befindet sich derzeit auf ­einem beispiellosen Tiefpunkt ihrer seit 1964 währenden Geschichte. Bei Bundes- und Landtagswahlen gelingt es den Neonazis von der NPD nur noch selten, mehr als 0,1 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen. Als das Bundesverfassungsgericht am Ende des zweiten NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2017 das Urteil bekanntgab, sah das Gericht den heutigen Zustand der Partei anscheinend bereits kommen. Damals äußerten die Verfassungsrichter, die NPD sei zwar rechtsextrem und arbeite planvoll auf die »Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung« hin; die Partei sei aber so bedeutungslos, dass ein Verbot nicht verhältnismäßig sei.

Im Jahr 2003 war ein Verbotsverfahren noch daran gescheitert, dass zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes leitende Funktionen in der Partei innehatten. Zum Zeitpunkt dieses ersten Verbotsverfahrens verfügte die Partei noch über einzelne regionale Hochburgen in den ostdeutschen Bundesländern. Inzwischen hat sie diese verloren. Bei den im Juni anstehenden Landrats- und Bürgermeisterwahlen wollen die zwei wichtigsten NPD-Kader Sachsens, Stefan Hartung und Peter Schreiber, als Kandidaten der rechtsextremen Kleinstpartei »Freie Sachsen« antreten, die im Zuge der »Querdenken«-Proteste in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Frank Franz’ Erneuerungsprogramm sieht vor, regionales Identitätsdenken und die wiedererwachte Landvolkbewegung zu stärken, um außerhalb der Großstädte erfolgreich zu sein. Kommunalwahlen sollen größere Bedeutung erhalten und zukünftig dazu dienen, einzelne Mandate zu erringen. Dabei ist es ihm wichtig zu betonen, dass er Vorstandsmitglieder wie Udo Voigt, Thorsten Heise und Peter Schreiber auf seiner Seite habe. Franz selbst stehen viele Parteimitglieder kritisch gegenüber. Die NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) hatte vor dem Parteitag gar gedroht, die Partei zu verlassen.

Lange Phasen der Erfolglosigkeit sind für die NPD nichts völlig Neues. Als die Partei im Jahr 1964 als Nachfolgeorganisation der Deutschen Reichspartei und anderer rechtsextremer Gruppen gegründet wurde, erlebte sie in der BRD einen kurzen Höhenflug. Sie zog in sieben Landesparlamente ein und scheiterte 1969 mit 4,3 Prozent nur relativ knapp am Einzug in den Bundestag. Ab den frühen siebziger Jahren verschwand die NPD jedoch zunächst in der Bedeutungslosigkeit.

Aufwind bekam sie erst wieder mit der deutschen Wiedervereinigung und der gezielten Einbindung neonazistischer Kameradschaftsstrukturen in die eigenen Reihen. Udo Voigt, der von 1996 bis 2011 Parteivorsitzender war und im Alter von 70 Jahren noch immer als stellvertretender Bundesvorsitzender im Parteivorstand sitzt, sorgte mit dem sogenannten Drei-Säulen-Modell (Kampf um die Straße, die Parlamente und die Köpfe) zum Ende der neunziger Jahre dafür, dass die NPD über viele Jahre die wichtigste rechtsextreme Partei war. Von 2004 und 2014 war sie in Sachsen und von 2006 bis 2016 in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag vertreten. Ihre Abgeordneten beschäftigten einen ganzen Tross an Neonazis als Mitarbeiter. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg scheiterte sie in diesem Zeitraum nur knapp an einem Einzug ins Parlament. In zahlreichen Kommunalparlamenten war sie ebenfalls mit eigenen Mandatsträgern vertreten.

Dies begann sich zu ändern, als Skandale die NPD erschütterten. Einem ehemaligen Vorsitzenden wurden ­homosexuelle Neigungen und sexuelle Übergriffe auf Kameraden vorgeworfen, ein Landtagsabgeordneter legte sein Mandat nieder, weil gegen ihn wegen dem Verdacht des Besitzes von Kinderpornographie ermittelt wurde. Das führte zu heftigen Konflikten in der Neonazi-Szene. Mit dem Aufstieg der AfD ab 2013 setzte ein rapider Absturz der NPD ein.

Die militante Neonazi-Szene wendete sich in dieser Zeit zu großen Teilen von der NPD ab. Am äußersten rechten politischen Rand sind mit »Der III. Weg«, der Partei »Die Rechte« oder den Freien Sachsen andere Optionen entstanden. »Der III. Weg« richtet sich dabei in Ästhetik und Inhalten am deutlichsten an ein Publikum, das explizit den Nationalsozialismus verherrlicht. Der überwiegende Teil der vormaligen NPD-Wählerschaft hat jedoch in den vergangenen Jahren bei der AfD eine neue politische Heimat gefunden. Gerade in Ostdeutschland greift die AfD in moderaterer Form alte Forderungen und Inhalte der NPD auf und setzt anti­demokratische Stimmungen in Wahlerfolge um.

Immer wieder taucht die NPD in Verbindung mit kriminellen Machenschaften auf. Im vergangenen Jahr wurden unter anderem die Büroräume des Berliner NPD-Landesverbands durchsucht, weil der stellvertretende Landesvorsitzende Oliver Niedrich im Verdacht stand, Abbildungen von Kindesmissbrauch zu besitzen. Zuletzt ­berichteten verschiedene Medien, dass Ermittlungen des Generalbundes­anwalts gegen die rechtsterroristische »Atomwaffen Division« auch in das Umfeld der NPD führten. Zudem heißt es immer wieder, die Partei sei finanziell in einer schwierigen ­Situation.

In seinem Youtube-Video nach dem Bundesparteitag wurde Frank Franz gefragt, warum es die NPD überhaupt noch brauche. Er antwortete, dass die NPD die letzte Partei in Deutschland sei, für die das ethnische Volk die rote und nicht verhandelbare Linie darstelle. Anders als die AfD werde man daran festhalten, so Franz. Sein Ziel sei es, die NPD zeitgemäß aufzustellen, ohne dabei modern zu werden und sich dem Zeitgeist unterzuordnen. Ob er damit erfolgreich sein wird, bezweifeln nicht nur außerhalb der NPD viele. Auch in der Partei selbst dürften die Zweifel nach dem jüngsten Parteitag eher größer geworden sein.