Imprint: Das Leben der Tänzerin Valeska Gert

Der Bürgerschreck

Sie spielte, mimte, aber vor allem tanzte die 1892 geborene und 1978 gestorbene Valeska Gert. In seiner Biographie über die Ausnahme­künstlerin, die von Bertolt Brecht verehrt und von der Zensur gehasst wurde, beschreibt Siegfried Müller nicht nur das Leben der Tänzerin, sondern auch das Berlin vor und zwischen den beiden Weltkriegen, in dem Gert aufwuchs und ihre ersten Erfolge feierte.
Imprint Von

Kindheit und Jugend
Valeska Gert wurde am 11. Januar 1892 als Valeska Gertrud Samosch in eine assimilierte jüdische Familie des Berliner Bürgertums geboren. Ihr Vater war ein wohlhabender Kaufmann. Die Familienwohnung entsprach mit ihrem überladenen Dekor, ihren Perserteppichen und den grün-grau und dunkelrot bespannten Stühlen dem vorherrschenden Stil des Historismus. Ein Vogelkäfig fehlte ebenso wenig wie die Palme, die das Hausmädchen jeden Morgen abstauben musste. Ihr Kinderzimmer sei »bis zum Bersten mit lebensgroßem Spielzeug angefüllt« gewesen, erinnert sich Valeska Gert später. An Feiertagen nahm die Mutter sie mit in die Synagoge. Auch lernte Valeska Hebräisch.

Den Sommer verbrachten die Mutter, der zwei Jahre jüngere Bruder Hans und Valeska mit dem Kindermädchen an der Ostsee in Heringsdorf – der Vater kümmerte sich um seine Blumen- und Federfabrik. Valeska fiel als Kind mit großem Bewegungsdrang auf. Im Hinterhof in Berlin »hopste« sie und »sprang hoch wie ein Gummiball. Ich flog. Das ­Fliegen war wunderbar. Das war mein erstes Tanzerlebnis.« Ihre Mutter, die selbst »leidenschaftlich gern« tanzte, versuchte, das Temperament ihrer kleinen Tochter zu kanalisieren, und meldete sie beim Ballettmeister des Opernhauses an.

Hinter Gerts Stilisierung als Flaneurin stand die lebenslange Suche nach Spiegelung in den Reaktionen ihres Publikums. Ihre Mittel, Reaktionen hervorzurufen, waren Provokation, äußere Nähe und innere Distanz.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::