Bei den Kommunalwahlen in Sachsen hat die AfD keine Posten gewonnen

Stadt, Land, Schwarz

Die sächsischen Kommunalwahlen am Sonntag haben die rechte Hegemonie be­stätigt – auch wenn die AfD keinen Posten gewinnen konnte.
Der nahe Osten – eine Kolumne über die sächsischen Verhältnisse Von

Immer wenn in Sachsen eine Wahl ansteht, ist die Anspannung deutlich zu spüren. Werden die Rechtsextremen diesmal Regierungsmacht erlangen? Eine berechtigte Sorge: »Du bist in einem Wahllokal auf dem sächsischen Land, wenn jemand mit T-Shirt mit Auschwitz-Silhouette und darunter ›Eisenbahn Romantik‹ reinkommt«, beschrieb der Sebnitzer Stadtrat Paul Löser von den Grünen auf Twitter sein Erlebnis bei den sächsischen Kommunalwahlen am Sonntag. In 185 Gemeinden wurden neue Bürger­meisterinnen gewählt, in neun von zehn sächsischen Landkreisen stand zudem das Amt des Landrates zur Wahl.

Die Rechte hatte viel Energie in den Kommunalwahlkampf gesteckt. Alice Weidel, stellvertretende Vorsitzende der AfD, kam zur Unterstützung unter anderem nach Zwickau gereist, wo sie auf der Bühne »Ich liebe Sachsen!« verkündete. Die Hoffnung der AfD war es, das erste Mal überhaupt einen Landrat oder Bürgermeister stellen zu können. Schließlich war die rechtsextreme Partei in Sachsen bei der letzten Bundestagswahl deutlich stärkste Kraft geworden.

Ergänzend, mancherorts auch in Konkurrenz zur AfD, traten drei Kandidaten der neonazistischen »Freien Sachsen« für Landratsämter an. Zudem stellte die Partei in vier Gemeinden Bürgermeisterkandidaten auf und gab in weiteren Kommunen Wahlempfehlungen ab. »Freie Sachsen« hatte sich Anfang des Jahres bei der Mobilisierung gegen die Coronamaßnahmen hervorgetan und brachte damals über Wochen hinweg Zehntausende Menschen auf die Straße. ­»Holen wir uns die Kommunen zurück – politische Veränderung beginnt ganz unten« lautete das Motto im Wahlkampf.

Geholt haben sie die Kommunen nicht, keiner ihrer Kandidaten hat am Sonntag einen Posten abbekommen. Trotzdem werden die »Freie Sachsen« die Wahlen als Erfolg verbuchen: Im Landkreis Nordsachsen kam ihre Kandidatin Uta Hesse auf über 20 Prozent der Stimmen, die anderen zwei Kandidaten der Partei erreichten in ihren Landkreisen je um die zehn Prozent. Der von der AfD erhoffte »endgültige Durchbruch«, so der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban, blieb ebenfalls aus, die Partei konnte nirgendwo die Mehrheit erlangen. Meist an zweiter oder dritter Stelle gelegen, sind die Chancen gering, dass sie in den Stichwahlen Anfang Juli noch einen Landratsposten abbekommt.

Als Siegerin ging ein weiteres Mal die CDU aus den Kommunalwahlen hervor. Dass dies einen Sieg für die Demokratie darstellt, sollte skeptisch betrachtet werden. Die Sachsen-Union erscheint in vielen Bereichen längst wie eine AfD light. Ihre Taktik, durch einen strammen Rechtskurs die abtrünnigen Wählerinnen vom rechten Rand zurückzuholen, hat großen Anteil an der Normalisierung des rechtsextremen Milieus in Sachsen. Vielerorts verschwimmen die Grenzen zwischen der konservativen Mitte und der extremen Rechten. Wie in Bautzen, wo der CDU-Landratskandidat Udo Witschas im Januar bei einer »Querdenken«-Demonstration ankündigte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht durchzusetzen. Bereits 2017 hatte Witschas als Vize-Landrat den örtlichen NPD-Vorsitzenden ins Landratsamt eingeladen und mit ihm über den Umgang mit Geflüchteten geplaudert. Witschas gewann den ersten Wahlgang mit fast 39 Prozent der Stimmen.

Oder in Oelsnitz, wo Frank Czyba für die Freie Wählervereinigung »Ein Herz für Oelsnitz/Erzgeb.« für das Amt des Bürgermeisters antrat. Gegen Czyba ermittelt derzeit der Staatsschutz wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Er hatte auf Facebook Fotos veröffentlicht, auf denen er vor einem Regal mit Bierflaschen mit Hitler-Bildern und Hakenkreuzen posiert. Die Wählervereinigung entschied sich, an ihrem Kandidaten festzuhalten, der mit 33,3 Prozent den ersten Wahlgang für sich entscheiden konnte.

In Freital wurde Oberbürgermeister Uwe Rumberg im Amt bestätigt. Rumberg war 2015 noch für die CDU angetreten, hatte aber 2020 wegen deren Haltung in der Pandemie die Partei verlassen. Am Sonntag kandidierte er nun für die Wählervereinigung »Kon­servative Mitte.« Als »Mann mit Rückgrat« wurde er dabei auch von den rechtsextremen »Freien Sachsen« unterstützt. Kurz vor der Wahl war bekannt geworden, dass Rumberg im Juni 2021 Peter Fitzek, einen der führenden Köpfe der Reichsbürgerbewegung und selbst­ernanntes Staatsoberhaupt des »Königreichs Deutschland« besucht hatte. Offenbar hat ihm das eher genützt als geschadet. Er wurde mit über 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt, fast zehn Prozent mehr als bei seiner Wahl 2015.

So bleibt in Sachsen alles beim Alten. Die Landräte werden wieder ausschließlich Männer sein (unter 40 Kandidierenden waren nur fünf Frauen) und fast alle werden wohl der CDU angehören. Mit einer Ausnahme: In Mittelsachsen konnte sich der von SPD, Linken und Grünen unterstützte parteilose Kandidat Dirk Neubauer durchsetzen und hat gute Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Auch in der Landeshauptstadt Dresden bahnt sich Veränderung an: Nachdem der amtierende Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Sonntag die ein­fache Mehrheit erlangt hatte, wollen die Kandidaten von SPD und Linkspartei nun im zweiten Wahlgang die Grüne Eva Jähnigen ­unterstützen. Dies könnte für Jähnigens Wahlsieg reichen. Abgesehen davon hat das völkische Milieu erneut gezeigt, dass es auf ein stabiles Wählerpotential von 20 bis 30 Prozent der Stimmen in Sachsen bauen kann, und der Rest freut sich über die Verteidigung der Demokratie, mit einer weit nach rechts offenen CDU als Wahlsiegerin.