Wenn einem beim Wandern Trump-­Anhänger helfen

Trail Devil

Walk on the Wild Side. Zwei Schwule – ein Wanderweg Von

Thru-hiker, die sich alljährlich mit ihrem wenigen Gepäck auf den Weg von Mexiko nach Kanada machen, sind mitunter auf die Hilfe der sogenannten Trail Angels angewiesen (nicht zu verwechseln mit den Hells Angels, wobei Grenzen ja bekanntlich fließend sein können), die sie unterwegs mit den verschiedensten Dingen ­unterstützen. Es kann vorkommen, dass man mitten in der Wüste auf einen dieser Engel trifft und mit frischen Früchten, Snacks oder Wasser (eine der Raritäten auf dem südlicheren Teil des Trails) beglückt wird.

Auch kann es passieren, dass man bei dem einen oder anderen Trail Angel nächtigen darf. Bei uns kam es dabei zu folgender Situation: Abgeholt wurden wir mit einem Pickup-Truck, der Fahrer alias der Trail Angel war leicht angetrunken, zumindest ­deutete sein Atem darauf hin. Der Verdacht, dass ­unser Engel wohl gesündigt hatte und unter Alkoholeinfluss stand, bestä­tigte sich spätestens, als er beim rückwärts Einparken das Auto seiner Stieftochter demolierte. Shit happens. Der Tochter schien das wenig auszumachen, zu späterer Stunde überklebte sie den demolierten Mercedesstern mit Panzertape und Glitzersteinen. Aber zuvor begrüßte sie uns und bot uns Bier an. (Cheers!)

Während unsere dreckigen Klamotten in der Waschmaschine durchgeschleudert wurden, zeigte sie uns ihren Ordner voller liebevoll gestalteter und eigens recherchierter »Fakten« über die Coronapandemie. Spätestens als sie Bill Gates erwähnte, schweiften unsere Blicke durch den Raum, auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wo wir hier gelandet sind. Die Kappe im Regal hinter uns verriet es: »Make America great again« stand in großen Lettern darauf. Yee-haw!

Wie geht man damit um, wenn man hilfsbereiten Menschen, die einen beherbergen, nicht vor den Kopf stoßen will? Man kann lächeln und auf fehlende englische Sprachkompetenz verweisen. Sorry, I understand only train station.

Aber keine Zeit für diesen Gedanken, sogleich wird einem die Steinsammlung in einer Vitrine gezeigt, die unter anderem schwer definierbare selbstentdeckte Exponate enthält. Der Stiefvater kommt zu Hilfe, er kennt sich bestens mit den Energien und Kräften von Edelsteinen aus. Die eigene Kette reinigt er unter Leitungswasser. (Ist das in den USA nicht stark gechlort und für den gemeinen Esoteriker deshalb Teufelszeug?) Anschließend erklärt er, wie man den Kettenanhänger als Pendel verwenden kann. Wir sind jetzt also in der Lage, vor einem reißenden Fluss in den High Sierras das Pendel nach den Gefahren zu befragen, die eine Flussüberquerung mit sich bringen würde. Großartig! Man fühlt sich gleich viel sicherer. Thank you so much!

Natürlich gibt es auch andere Trail Angels. Zum Beispiel die kiffende ältere Dame, die fremde, stinkende Wanderer vertrauensvoll in ihr Haus einlädt und dann erst mal verschwindet und einen allein in ihrem trauten Heim zurücklässt. Oder die 32jährige, die uns ins Auto packte und spontan einen der größten Freizeitparks der USA ansteuerte (wir gestehen, auch wir geben uns hin und wieder gern dem Vergnügungswahn hin). Und zu guter Letzt der ältere Herr, der einen zum Supermarkt fährt, geduldig wartet, bis man genug Kalorien geshoppt hat, um einen dann zurück zum Trail zu fahren, und einem auch noch selbst gefangenen Fisch und Bier schenkt.

All diesen Engeln sei gedankt, und der eine oder andere ­Engel aus der Hölle gehört wohl einfach dazu – nicht dass man sich an zu viel Nächstenliebe gewöhnt.