Die deutsche Autoindustrie sperrt sich nicht gegen das für 2035 geplante Produktionsverbot für Verbrenner

Ob Diesel oder Strom – Hauptsache deutsch

Die EU will ab 2035 den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren verbieten. Die deutschen Autokonzerne scheint es nicht zu stören, im Gegenteil.
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Der Verbrennungsmotor diente jahrzehntelang als Beispiel deutscher Ingenieurskunst und als Symbol für den industriellen Aufstieg des Landes. Es gibt wohl kaum eine Volkswirtschaft, die in einem so hohen Maße von einer Branche abhängig ist. Fast 800 000 Beschäftigte arbeiten in Deutschland in der Autoindustrie, etwa eine Million weitere Arbeitsplätze hängen indirekt von ihr ab. Und sie ist erfolgreich: Volkswagen gehört zu den größten Autokonzernen der Welt, Mercedes-Benz und BMW zählen zu den zu den rentabelsten. Doch bislang fahren die allermeisten ihrer Autos ausschließlich mit fossilen Brennstoffen.

Umso erstaunlicher war die Reaktion von Industrievertretern, als die EU-Kommission kürzlich verkündete, dass ab 2035 keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden sollen. Das Europaparlament hat dem bereits zugestimmt, nun müssen sich die EU-Mitgliedsstaaten positionieren, bevor über die genaue Fassung eines etwaigen Verbots verhandelt wird.

Große deutsche Autokonzerne protestierten nicht etwa, sondern signalisierten Wohlwollen. Die EU-Strategie zur Dekarbonisierung sei »ambitioniert, aber umsetzbar«, sagte ein Sprecher von Volkswagen. Dies sei der »einzig ökologisch, technologisch und wirtschaftlich vernünftige Weg«, um »Verbrennungsmotoren so schnell wie möglich zu ersetzen«. Auch Mercedes begrüßte die Entscheidung und verkündete, dass das Unternehmen die Ziele sogar schneller erreichen könne.

Tatsächlich kommt das angestrebte Verbot den großen deutschen Unternehmen nicht ungelegen – gerade weil sie viel zu lange an Verbrennungsmotoren festgehalten haben. Das geschah weniger aus Unvermögen als aus Kalkül. Großmotorige Autos sind ein Verkaufsschlager, sie versprechen höhere Profite und größere Margen als Kleinwagen. Doch spätestens mit dem erstaunlichen Erfolg des lange belächelten Konkurrenten Tesla wuchs die Sorge, den Anschluss zu verpassen. Bei in Zukunft entscheidenden Komponenten wie Software oder Batterien drohen deutsche Hersteller abgehängt zu werden.

Hinzu kommt, dass sich insbesondere auf dem für deutsche Autokonzerne so wichtigen chinesischen Markt ohne Elektrifizierung bald nichts mehr bewegen lassen wird. Die dortige Regierung hat eine Mindestquote für den Verkauf von Elektroautos festgesetzt, die in Zukunft wohl noch steigen wird.

Am Elektroauto entscheidet sich also, ob deutsche Autokonzerne und ihre Zulieferer auch in 20 Jahren noch zu den weltweiten Marktführern gehören. Entsprechend ehrgeizig fällt die Neuausrichtung aus. Volkswagen ist dabei, seine komplette Modellpalette neu auszurichten. Einzelne Marken wie Audi wollen laut Auto Bild bereits ab 2026 keine Verbrenner mehr entwickeln. Mercedes will bis Ende des Jahrzehnts über 40 Milliarden Euro in die Elektromo­bilität investieren und in dieser Zeit unter anderem acht Großfabriken für Batterien aufbauen.

Diese gewaltigen Investitionen lohnen sich aber nur, wenn die Nachfrage nach Elektroautos groß genug ist. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren würde den zukünftigen Markt für Elektroautos garantieren. Außerdem würden die EU-Regierungen dazu gezwungen, spätestens bis 2035 eine umfassende Ladeinfrastruktur in der gesamten EU aufzubauen.

So gesehen ist die EU-Entscheidung eine industriepolitische Maßnahme, um den Wandel in der Autoindustrie abzusichern. Die Bundesregierung scheint sich trotzdem noch nicht ganz einig zu sein. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) teilte vergangene Woche mit: »Deutschland unterstützt ein Ende des Verbrennungsmotors für PKW und leichte Nutzfahrzeuge in der EU ab 2035.« Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen sagte am Dienstag bei einer Veranstaltung des BDI, er lehne das Verbot ab.

Die »grüne Transformation« der Wirtschaft, von der die Bundesregierung immer wieder gerne spricht, soll auch dem Ziel dienen, das industriepolitische Modell Deutschlands zu konservieren. Im Mittelpunkt sollen weiterhin eine modernisierte Autobranche und die damit verbundenen Mobilitätskonzepte stehen, die dann eben auf digitaler Vernetzung und Elektromotoren basieren, nicht mehr auf Kolben und Zylindern. Ob es den deutschen Autokonzernen so gelingt, ihre international dominante Stellung zu erhalten, wird sich zeigen. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass der Wandel zu einer von CO2-neutralen Wirtschaft viel zu langsam erfolgt. Und selbst wenn der letzte PKW mit Verbrennungsmotor 2035 die Fabrik verlässt, werden diese Wagen noch lange millionenfach über die Straßen rollen.