Michael Ballweg, einer der Gründer der »Querdenken«-Bewegung, wurde festgenommen

Bewegung der Geschäftemacher

In der verschwörungsgläubigen Szene lässt sich Politik kaum vom Business trennen. Kürzlich wurde Michael Ballweg, der Gründer der ersten »Querdenken«-Gruppe, festgenommen. Ihm werden Betrug und Geldwäsche vorgeworfen, es geht um Hunderttausende Euro.

Eigentlich habe Michael Ballweg auf Weltreise gehen wollen, doch dann sei Corona dazwischengekommen. Das erzählte der Stuttgarter IT-Unternehmer 2020 der Wochenzeitung Kontext. Stattdessen wurde er als Gründer von »Querdenken 711« zu einer Galions­figur der Proteste gegen die Coronaschutzmaßnahmen. Die von seiner ­Initiative angestoßene Bewegung brachte Zehntausende Verschwörungsgläubige auf die Straße, von alten Hippies bis zu jungen Neonazis.

Die Reise wollte Ballweg offenbar nachholen – doch dazu kam es nicht: Am 29.Juni hat die Stuttgarter Polizei den 47jährigen festgenommen. Es soll Fluchtgefahr bestanden haben. Nun sitzt er in Untersuchungshaft in Stammheim. Laut Medienberichten wird ihm Betrug mit einer Schadensumme von 640 000 Euro und Geldwäsche in Höhe von 430 000 Euro vorgeworfen. Außerdem werde wegen Anstiftung zur Geldwäsche ermittelt. Die Polizei soll Handys, Computer und Konten ­beschlagnahmt haben. Nicht nur gegen Ballweg selbst, auch gegen seine Frau sollen Ermittlungen laufen.

Ballweg hatte seine Anhänger seit 2020 um Geldgeschenke gebeten – bei einer Schenkung gibt es, anders als bei einer Spende, keine Transparenzverpflichtung.

Alexander Christ, einer von Ballwegs Anwälten, sagte der DPA, er sehe »zumindest Ansätze einer politischen Komponente« in den Ermittlungen gegen seinen Mandanten. Damit möchte er wohl implizieren, dass es sich eigentlich um politische Verfolgung handele. Tatsächlich haben die Vorwürfe mit Ballwegs politischer Arbeit zu tun, aber auf eine andere Weise, als sein Anwalt meint.

Bei Verschwörungstheoretikern überschneiden sich Politaktivismus und Geschäftemacherei oft bis zur Un­unterscheidbarkeit. Ballweg hatte seine Anhänger seit 2020 um Geldgeschenke gebeten – bei einer Schenkung gibt es, anders als bei einer Spende an einer Partei, keine Transparenzverpflichtung. Ein ähnliches Beispiel bietet der Göttinger Rechtsanwalt Reiner Fuellmich: Seiner Anhängerschaft hat er versprochen, den Virologen Christian Drosten und RKI-Präsidenten Lothar Wieler mit einer Sammelklage vor Gericht zu bringen. Wer mitklagen wollte, sollte Fuellmich 800 Euro überweisen. Das Blog »Volksverpetzer« schätzte, dass Fuellmich auf diese Weise mehr als eine Million Euro eingesammelt hat. Zu einer Klage Fuellmichs auf Schadensersatz gegen Drosten und Wieler ist es bis heute nicht gekommen.

Ballweg begründete seinen Bedarf an Schenkungen, die bisweilen öffentlich und unzutreffend als Spenden bezeichnet wurden, unter anderem damit, dass er die Großdemonstrationen finanzieren werde. Deshalb wird es nun ­offenbar rechtlich schwierig für den Protestunternehmer. »Der Betrugs­vorwurf beruht darauf, dass Anhänger erwartet hatten, dass die Zuwendungen für die Veranstaltungen benötigt und aufgewendet werden«, erklärte der Anwalt Chan-jo Jun, der sich seit langem mit der »Querdenken«-Szene auseinandersetzt, auf Twitter. Aus dieser Erwartung ergebe sich »am Ende ­jedoch eine Transparenzpflicht«.

Schenkungen sind allerdings nicht die einzige Möglichkeit, aus Verschwörungswahn Kapital zu schlagen. Viele, die Verschwörungsmythen verbreiten, bieten ihrer Anhängerschaft auch auf die jeweils geschürte Angstvorstellung zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen an. Dazu gehören beispielsweise Fan-Artikel, Zubehör für Prepper und sogar Geldanlagemodelle.

Der rechte Kopp-Verlag zum Beispiel vertreibt nicht nur Bücher, in denen sich der Leser über den angeblich nahenden Tag X informieren kann, sondern darüber hinaus auch Zubehör für vieles, was das Prepper-Herz begehrt – von Wasserfiltern bis zu tragbaren Stromgeneratoren. Verschwörungs-Influencer wie der ehemalige Schlager-Star Michael Wendler bewerben diese Produkte dann auf Telegram.

Wer wegen der vermeintlich drohenden, wenn nicht schon errichteten »Corona-Diktatur« Angst ums Ersparte hat, wird ebenfalls als Zielgruppe bedacht. Zum Beispiel von Thorsten Schulte: Der rechte Bestseller-Autor und ehemalige Investmentbanker verbreitet auf Telegram Verschwörungs­mythen und zweifelhafte Geldanlagetipps. Zeitweilig machte er Ballweg Konkurrenz bei »Querdenken« und hegte selbst Führungsansprüche. Schulte warnt vor der drohenden Diktatur und empfiehlt eine Geldanlage in Silber. Was er nicht erwähnt: Er selbst sitzt im Verwaltungsrat eines Unternehmens für Handel und Lagerung von Edelmetallen.

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung von Baden-Württemberg, verwies auf einen weiteren Aspekt der Verbindung von Verschwörungswahn und Unternehmertum: »Das Tückische (…) ist: Umso mehr Geld Menschen da reingegeben haben – umso schwerer fällt es ihnen, sich die Verschwörungsmythen und Fehler einzugestehen«, schreibt er auf Twitter.

Die Ermittlungen gegen Ballweg könnten weitere nach sich ziehen. »Sollte der Vorwurf gegen Ballweg halten, würden die gesamte Führung und wichtige Unterstützer vor Gericht landen«, schreibt Anwalt Jun auf Twitter. Die verschwörungsgläubige Szene dürfte die Festnahme Ballwegs wohl nicht in Aufruhr versetzen. Der schwäbische Unternehmer und seine »Querdenken«-Ini­tiativen sind schon länger nicht mehr tonangebend. Wichtiger sind derzeit Gruppen wie die »Freien Sachsen« und deren Ableger in anderen Bundes­ländern. Dass die Führungsriege der Gruppe sich aus ehemaligen Kadern rechtsextremer Parteien rekrutiert, lässt vermuten, dass es hier tatsächlich mehr um Umsturz und weniger um Umsatz geht – obwohl auch klassische Rechtsextreme durchaus Geschäftstüchtigkeit der dubiosen Art beweisen.