Small Talk mit Thomas Küchenmeister von der NGO Facing Finance über die erste öffentliche Datenbank zu Unternehmen, die Kriegsparteien aufzurüsten helfen

»Die Rüstungsindustrie hält sich nicht an internationale Abkommen«

Die Umwelt- und Menschrechtsorganisationen Facing Finance und Urgewald haben am 27. Juni die Exit Arms-Datenbank veröffentlicht. Die »Jungle World« sprach mit Thomas Küchenmeister, Geschäfts­führer von Facing Finance, über die erste öffentliche, globale Datenbank zu Unternehmen, die an Rüstungsexporten an Kriegsparteien beteiligt sind.
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Was ist das Ziel der neuen Exit-Arms-Datenbank?

Hauptzielgruppe sind Finanzinstitute, die mit dieser Datenbank erstmalig ein geeignetes Instrument haben werden, um eine Divestmentstrategie für die Rüstungsindustrie entweder zu formulieren oder zu schärfen. Zudem richtet sich die Datenbank auch als Informationsquelle an Politik, Wissenschaft, Medien und interessierte Zivilgesellschaft.

Sind die Waffenexporte, die Sie in der Datenbank auflisten, ­illegal?

Die Exit-Arms-Datenbank zeigt, dass sich die Rüstungsindustrie nicht immer an internationale Abkommen wie UN-Waffenembargos oder den Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty) hält. Beispielsweise erfolgten auch nach der Verhängung des UN-Waffenembargos Lieferung an Kriegsparteien im Libyen-Konflikt.

Welche Informationen liefert die Datenbank über Waffenlieferungen aus Deutschland an Kriegsparteien?

Aus Deutschland wurden zwischen 2015 und 2020 Waffen an 16 verschiedenen Kriegsparteien geliefert, darunter Indonesien, Ägypten, und die Vereinigten Arabischen Emirate. Darüber hinaus dokumentieren wir, wie deutsche Unternehmen ihre Waffenlieferungen an Kriegsparteien über ausländische Tochterunternehmen abwickeln.

Wie kann diese Datenbank die Debatten zum Ukraine-Krieg ­weiterbringen?

Die Datenbank soll auch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine zu einer auf Fakten basierten Debatte um Waffenexporte beitragen. Seit der russischen Invasion in der Ukraine erleben wir eine öffentliche Debatte, in der übersehen wird, dass Rüstungsunternehmen nicht nur Güter für die heimische Landesverteidigung oder die Unterstützung der Ukraine produzieren, sondern auch an zahlreiche kriegsführende Despoten liefern. Diese begehen damit dann im eigenen Land oder in anderen Ländern systematisch Menschenrechtsverletzungen oder gar Kriegsverbrechen. Die Kriege in Libyen, Syrien und Jemen stehen dafür als traurige Beispiele. Sie lassen die Behauptung der Rüstungsindustrie, sie sei »sozial« und »nachhaltig« fast zynisch erscheinen. Der Ukraine-Krieg darf nicht dazu führen, dass das legitime Recht auf Selbstverteidigung, das wir der Ukraine zugestehen, und die Unterstützung der Ukraine, die damit verbunden ist, missbraucht werden, um künftig Waffenlieferung aller Art an jeden möglichen Empfänger zu rechtfertigen.

Was fordern Sie also von der Politik?

Die angekündigten Gesetzesvorhaben für strengere Rüstungskon­trolle im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung müssen ambitionierter umgesetzt werden. Und hierbei muss verankert werden, dass Waffengeschäfte mit kriegsführenden Staaten grundsätzlich verboten sind. Allerdings können Waffenlieferungen, wie zum Beispiel derzeit an die Ukraine, kurzfristig ein Mittel sein, um das Recht auf Selbstverteidigung gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wahrzunehmen. Dafür bedarf es aber einer sorgfältigen parlamentarischen Begründungspflicht.