Die Interventionistische Linke ist in der Krise und stellt ihr Konzept in Frage

Aus dem Widerspruch ausgestiegen

In der Interventionistischen Linken rumpelt es gewaltig: Eine Broschüre, in der einige Mitglieder des linksradikalen Bündnisses ihren Unmut darüber äußern, dass ihr Aktivismus zum Selbstzweck verkommen sei, könnte das Ende der IL bedeuten.

Die Krisenphänomene zeigen sich dieser Tage immer deutlicher. Mit der Verwüstung der ökologischen Lebensgrundlage, der Covid-19-Pan­demie und erwartbaren weiteren Zoonosen, der Militarisierung von Staatsgrenzen, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den verheerenden Folgen für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung des Globalen Südens sind nur einige benannt. Wenngleich global betrachtet Aufstände und Revolten in den vergangenen zwei Jahrzehnten keine Seltenheit waren, erscheint die radikale Linke derzeit orientierungsloser denn je.

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass kaum eine linke Einschätzung zur gegenwärtigen Situation ohne Verweis auf Walter Benjamin und seine geschichtsphilosophischen Überlegungen auszukommen scheint. In einem in diesem Zusammenhang weniger beachteten Essay zu Kafka vergleicht Benjamin den Schriftsteller mit Sisyphos. Kafka wälze »den Block des geschichtlichen Geschehens«, so dass »dessen untere Seite ans Licht gerät. Sie ist nicht angenehm zu sehen.« Doch Kafka sei, so Benjamin, eben imstande, den Anblick zu ertragen.

Eine häufig kampagnenförmig auf den Primat der Praxis und der Anschlussfähigkeit ausgerichtete Organisierung kann ohne gleichzeitige Theoriearbeit keine brauchbare Gesellschaftsanalyse hervorbringen.

Die Linken in der Bundesrepublik, die sich strömungsübergreifend ­betätigen wollten, zeichneten sich in den vergangenen Jahren kaum durch solch einen Blick auf die hässliche Seite der eigenen Geschichte aus, vielmehr bemühte sie sich auch unter noch so düsteren Bedingungen, Bewegungsoptimismus aufrechtzuerhalten. Umso überraschender ist es, dass nun gerade aus dem Umfeld der notorisch bewegungsorientierten Interventionistischen Linken (IL) eine Broschüre erschienen ist, die weder vor schonungsloser Selbstkritik noch vor einer vernichtenden Bilanz der eigenen Arbeit zurückschreckt.

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