Die Kolumnistin glaubt den Wetterfröschen der Bild-Zeitung kein Wort

Großes Schmelzen

Das Medium Von

Montag, 18. Juli. Eine Nation im Ausnahme­zustand. »Packt Deutschland die Hitze?« fragt Bild, denn es werden »bis zu 40 Grad erwartet«. Nun ist zwar bislang noch kein Fall bekannt, in dem ein Land sich auflöste, weil es ihm zu warm geworden war, aber ausschließen sollte man nichts, insofern kann es gut sein, dass dies die letzte Kolumne ist, die hierzulande geschrieben wurde. Weil Hierzulande ab morgen zerfließen wird, oder schmelzen, das ist noch nicht entschieden. Oder vielleicht auch einfach nur dasitzen, im Schatten, bei einem kühlen Getränk, und endlich mal dazu kommt, über dies und das nachzudenken. Wie darüber, ob es wirklich so erstrebenswert ist, das am miesesten gelaunte, nickeligste, unverschämteste und dämlichste Land der Welt zu sein, mit hässlicher Fahne, unschöner Nationalhymne und vor allem bewohnt von vielen, vielen Millionen unausstehlichen Leuten.

Och nö, denkt sich die Nation dann vielleicht, während sie zwischen zwei Gin Tonic gekühlte Melone nascht, ich bleib hier sitzen und orientiere mich um. Vielleicht noch mal neu anfangen, irgendwo im Weltall oder dahinter, auf einem kleinen gemütlichen Stern mit einer kleinen Population sehr gutartiger Lebewesen. Oder ganz was anderes tun, eine bislang unbekannte Fischart werden, die still am Meeresgrund lebt, könnte auch schön sein. ­Jedenfalls, nie wieder Deutschland sein. Und dann macht es das Geräusch, das Länder eben machen, wenn sie ­zerfließen oder schmelzen, also ein leises Plupp oder ein etwas lauteres Platsch, und dann isses weg, dieses Hierzulande.

So wird es kommen, oder beim Erscheinen dieser Kolumne schon gekommen sein, oder auch nicht, dann bleibt alles, wie es war, aber nicht für ewig, denn in nur wenigen Wochen gibt es eine zweite Chance: »Packt Deutschland die Kälte?« wird die alle bewegende Frage dann lauten, wenn bis zu minus fünf Grad erwartet werden, und Schnee, allgemeine Useligkeit sowie gefrorene Gewässer.