Der Kolumnist drückt den Bestellbutton für ein T-Shirt mit persönlicher Botschaft

Kein Schwein sprach mich an

Personalisierte Statement-T-Shirts im Selbstversuch.
Perfekten Genuss erleben Von

Früher waren es ja noch regelrechte Ereignisse, die Fan-Artikel hervorbrachten. Einmal im Jahr kam der neue Disney-Film, exakt drei Monate vorher ging es los mit dem Merchandise. Die Supermärkte wurden mit »König der Löwen«- und »Mulan«-Produkten geflutet, so lange, bis das künstlich erzeugte Bedürfnis gestillt und der neue Film abgedreht war.

Heute grasen automatisierte Content-Bots die sozialen Medien selbständig ab, um aus jedem kleinen Face­book-Kommentar ein T-Shirt zu drechseln, jede noch so kleine Mikrodemographie mit Meinungsäußerungsprodukten zu versorgen. »Hüte dich vor Event-Managern, die aus Fulda kommen«, werden die Textilien dann betextet, wenn ein Fuldaer Event-Manager als solcher identifiziert wurde. Rechtzeitig erhält dieser dann einen Bestelllink in der Facebook-Werbung, und dank modernster Print-on-Demand-Verfahren wird der Scheißdreck dann erst hergestellt, wenn der Nichtsnutz zum Bestellen auf den Button gedrückt hat.

Weil die entsprechenden Lieferanten schon sehr gut verstanden haben, wie das deutsche Publikum so tickt, beschriften sie diese kleidungsförmigen Selbstanzeigen in Frakturbuchstaben, was irgendwie national, diffus widerständig und so metalmäßig provinziell wirken soll. Jede Anhängerschaft, jede Berufsgruppe hat so die Chance, sich selbst als Initiativbewerbung und zugleich als NPD-Plakat in Szene zu setzen. Die Sachen werden tatsächlich bestellt und getragen; in einem Bahnhof im Nordhessischen sah ich sogar ein ganzes Zweiergespann, dass seine Berufsbezeichnung dergestalt spazieren führte.

Vor kurzem habe ich ebenfalls eine solche Anzeige erhalten, und ein perverser Kitzel brachte mich dazu, das entsprechende T-Shirt zu ordern: »Hüte dich vor Autoren, die aus München kommen«. Knapp sieben Tage später erreichte mich das computergeschneiderte Textil: überraschend solide verarbeitet und ohne Rechtschreibfehler betextet.

Zu Testzwecken trug ich den Mist einen halben Nachmittag auf der Frankfurter Zeil, einem Ort, der wegen seiner kompletten Gleichgültigkeit für alle menschlichen Lebensäußerungen bekannt ist. Das Testergebnis: Das T-Shirt wirkt tatsächlich! Niemand wagte es, den Autoren, der aus München kommt, anzusprechen; alle hüteten sie sich aufs Prächtigste vor mir! Nicht dass ich auf der Zeil besonders oft angesprochen würde, aber für eine längere Testreihe fehlt mir leider die Zeit.


An dieser Stelle schreibt Leo ­Fischer über seine persönlichen Erfahrungen in der Welt des ­Konsums. Seine Erlebnisse und Meinungsäußerungen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.