Die Aufklärung des antisemitischen Angriffs auf das Lokal »Schalom« in Chemnitz 2018 stockt

Kein Schritt vor und zwei zurück

Das Landgericht Chemnitz verringerte im Berufungsverfahren die ohnehin milde Strafe gegen den einzigen bislang verurteilten Täter des Angriffs auf das jüdische Restaurant »Schalom« vor knapp vier Jahren. Gegen weitere Verdächtige wird ermittelt, Ergebnisse gibt es bislang keine.

Die Strafverfolgungsbehörden in Sachsen tun sich schwer damit, den anti­semitischen Angriff auf das Restaurant »Schalom« und dessen Betreiber Uwe Dziuballa in der Chemnitzer Innenstadt aufzuklären. Die Attacke ereignete sich 2018, Steine, Flaschen und Stangen kamen dabei zum Einsatz. Im September vergangenen Jahres war mit Kevin A. einer der mindestens zehn Täter zu ­einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht sah es trotz dünner Beweislage als erwiesen an, dass A. sich der gefährlichen Körperverletzung und des Landfriedensbruchs schuldig gemacht hatte. Gegen das Urteil hatte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Berufung eingelegt, weil ihr die Strafe zu mild war.

Im Berufungsverfahren vor dem Chemnitzer Landgericht am 20. Juli forderte sie, die Bewährungsstrafe gegen A. in eine unbedingte Haftstrafe umzuwandeln. Die Tat sei »aufs Schärfste zu verurteilen«, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Der Angriff sei von »Antisemitismus und Gewaltbereitschaft« geprägt gewesen. Er habe »nicht einen Ausländer getroffen, der frisch da ist«, sondern einem »jüdischen Lokal in Chemnitz« und einem »gestandenen Wirt« gegolten, obwohl dieser sich nichts habe zuschulden kommen ­lassen.

Die Vorsitzende Richterin verringerte die Bewährungsstrafe von zwölf auf zehn Monate und verhängte zusätzlich eine Geldstrafe in Höhe von 1 500 Euro gegen Kevin A.

Die Mühen waren vergeblich. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden kassierte vor dem Chemnitzer Landgericht eine Schlappe. Die Vorsitzende Richterin wies die Berufung als un­begründet zurück und reduzierte die Strafe sogar noch. Statt zwölf Monate hat A. für die Tat nun zehn Monate auf Bewährung bekommen. Die Richterin verhängte jedoch noch eine Geldstrafe in Höhe von 1 500 Euro gegen A. Auf Anfrage der Jungle World teilte Patrick Pintaske für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden am Freitag vergangener Woche mit, dass diese gegen das Berufungsurteil erneut Revision eingelegt hat.

Interessanter als das erneut milde Urteil ist, was in dem Verfahren nicht verhandelt wurde. Denn auch das Berufungsverfahren brachte kaum Neues über Mittäter und ihre Verbindung zueinander ans Licht. Dabei hatte Sabine Wylegalla für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden noch im Juni auf Anfrage der Jungle World weitere Ermittlungserfolge verkündet: In der Sache werde nun auch gegen Leon R. ermittelt. Er soll Mitglied der extrem rechten Kampf­sportgruppe »Knockout 51« sowie der Neonazi-Terrorgruppe »Atomwaffen ­Division Deutschland« sein. Zudem seien weitere Tatverdächtige ermittelt worden, die aber nicht formal in das Verfahren eingeführt wurden.

Doch die Ermittlungen scheinen kaum voranzukommen. »Im Moment ist mir das zu sehr ins Blaue hinein«, sagte die Vorsitzende Richterin im Verfahren gegen A. mit Blick auf den Stand der Ermittlungen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beschuldigten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen. Darum seien sie nicht als Zeugen geladen worden, erklärte die Vorsitzende Rich­terin auf Anfrage der Jungle World. »Viel weiter sind wir noch nicht«, gab die Staatsanwältin vor Gericht zu.

Dennoch fielen im Rahmen des Berufungsverfahrens die Namen von drei weiteren Tatverdächtigen. Alle gehören nach Recherchen der Jungle World zum Kern der gewalttätigen extremen Rechten in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Kevin A. war in der völkischen Bewegung aktiv, als er 2017 in Apolda an einer Demonstration der Neonazi-Partei »Der III. Weg« teilnahm, bei der es zu Gewalttaten kam, das ist bekannt. Doch nun deutet einiges darauf hin, dass er bis in die höchsten Ebenen der bundesdeutschen Nazi-Szene vernetzt sein dürfte.

Das hielt die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung jedoch nicht davon ab, die Angreifer als »wildgewordene Meute« und »Deppen« zu verharmlosen. »Sie sind ein fleißiger Mann, Sie kommen eigentlich aus einem guten Elternhaus«, sagte sie zu A. Er müsse sich nicht so einer »dämlichen ideologischen Gruppe« anschließen. Mit Blick auf A.s Fußballbegeisterung und seine Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr kommentierte die Vorsitzende Richterin: »Das sind vernünftige Tätigkeiten.« In ihrer Urteilsbegründung forderte sie A. auf: »Engagieren Sie sich weiter bei der Freiwilligen Feuerwehr.«

Doch sie fand auch mahnende Worte: »In Deutschland hat es so was schon mal gegeben«, sagte sie – wohl mit Blick auf die Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus. »Wir hoffen, dass die Zeiten nicht wiederkommen«, so die Richterin weiter. »Wir werden alles tun, um das zu verhindern.« Das nächste Mal werde A. definitiv im Gefängnis landen, drohte sie. Damit entließ sie ihn in die Freiheit.

Einstweilen besteht der ganz alltägliche Antisemitismus in Chemnitz fort. Auf die Frage, ob es nach dem Überfall im Jahr 2018 noch zu weiteren Bedrohungen oder Angriffen gegen ihn oder sein Restaurant gekommen sei, antwortet Dziuballa der Jungle World: »Es vergeht kaum ein Monat ohne irgend­eine ›negative Aufmerksamkeit‹.« Die Ermittlungen bezeichnet er als »schleppend« und die juristische Aufarbeitung als »unbefriedigend«.