Ichraf Chebil, Ehefrau des tunesischen ­Präsidenten, tritt beim Nationalen Tag der Frau auf

Tunesiens First Lady

Porträt Von

Geboren 1973 in Sfax, ging Ichraf Chebil in Sousse zur Schule und studierte an der dortigen Universität Jura. Dort traf sie ihren späteren Gatten Kaïs Saïed, der im Oktober 2019 zum Präsidenten Tunesiens gewählt wurde. Als seitherige First Lady hielt sich Ichraf Chebil zunächst mit öffentlichen Auftritten zurück, wohl um nicht an Leïla Trabelsi, die mafiose Gattin des 2011 gestürzten autoritären Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali, auch bekannt als »Regentin von Karthago«, zu erinnern. Das Vermögen des Herrscherpaars wurde nach 23 Jahren an der Macht auf etwa fünf Milliarden Euro geschätzt. Noch vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Kaïs Saïed im Radio verkündet: »Meine Gattin wird keine First Lady sein, denn alle Tunesierinnen sind First Ladies.«

Das änderte sich am Samstag, dem Nationalen Tag der Frau in Tunesien. Ichraf Chebil trat bei einer Zeremonie am Gymnasium der Rue du Pacha in Tunis auf, das federführend in der Bildung junger Mädchen in Tune­sien war. Vor einer Kulisse tunesischer Minister und Notablen aus der Geschäftswelt und der bürgerlichen Gesellschaft würdigte sie eine Auswahl tunesischer Frauen, zusammen mit der Premierministerin von Kaïs Saïeds Gnaden, Najla Bouden. Abends folgte Ichraf Chebils großer Auftritt im nationalen Fernsehen. In ihrer Rede pries sie insbesondere die von ihrem Präsidentengatten persönlich redigierte neue Verfassung, ebenso wie das, was sie als »Neue Republik« bezeichnete – was an Ben Alis »neue Ära« nach seinem Putsch vom 7. November 1987 erinnerte. Das ganze fand vor malvenfarbenem Hintergrund statt, eine Farbe, die auch Ben Alis ancien ré­gime gern genutzt hatte. Kurz, es handelte sich bei ihrem Auftritt nicht um eine normale Zeremonie, sondern um die Parteinahme zugunsten ihres Präsidentengatten.

Am Nationalen Tag der Frau rief Ichraf Chebil zudem dazu auf, alle Formen der Diskriminierung von Frauen abzuschaffen. Ganz vorne auf der Liste stünde da ­eigentlich das tunesische Erbrecht, das der Frau nur die Hälfte des Erbteils des Manns gönnt. Eine Reform des Erbrechts hat ihr Präsidentengatte unter Verweis auf den Koran als Quelle der Rechtsprechung mehrfach abgelehnt.