Der schiitische Religionsführer Muqtada al-Sadr

Al-Sadr und die Ayatollahs

Porträt Von

Am Montag kündigte der einflussreiche schiitische Kleriker Muqtada al-Sadr seinen Rückzug aus der irakischen Politik an, kurz darauf eskalierten bewaffnete Auseinandersetzungen in Bagdads Grüner Zone, in der sich die Regierungsgebäude befinden, und im Süden des Landes. Schätzungen zufolge kamen mindestens 30 Menschen bei den Kämpfen zwischen al-Sadrs Anhängern und irakisch-schiitischen Milizen, die dem Iran anhängen, ums Leben. Seit der US-Invasion, die 2003 den langjährigen Diktator Saddam Hussein stürzte, spielt Muqtada al-Sadr im Irak eine wichtige Rolle. War er zunächst ein schiitischer Hardliner im irakischen Bürgerkrieg bis 2008, hat er in den vergangenen Jahren eher nationalistisch argumentiert, vor allem gegen den iranischen Einfluss im Irak. Bei den Wahlen im Oktober 2021 schnitt sein politischer Block gut ab, anders als der rivalisierende schiitische, dem Iran verpflichtete Block. Ein bitteres Gerangel um politischen Einfluss brach aus, bislang kam keine Regierungskoalition zustande. Der Auslöser für al-Sadrs Ankündigung, sich aus der Politik zurückzu­ziehen, war der Rücktritt seines spirituellen und politischen Mentors, Großayatollah Kadhim al-Haeri, als Marja al-Taqlid (höchstrangiger Religionsgelehrter) in der iranischen »heiligen« Stadt Qom. In seiner Rücktrittserklärung bestritt al-Haeri dem Guardian zufolge zudem al-Sadrs Legitimität, im Namen seines Vaters seine Anhänger zu führen, und drängte ihn, sich dem Iran anzuschließen. Nach Angaben der irakisch-kurdischen Website Rudaw.net rief al-Haeris die Sadristen auf, nunmehr dem iranischen Obersten Führer Khamenei Gefolgschaft zu leisten. Al-Sadrs Anhänger gingen davon aus, Haeris Erklärung sei unter iranischem Zwang zustande gekommen. Tausende von ihnen begaben sich nach Bagdad und drangen in die Grüne Zone und den Präsidentenpalast ein, in anderen Städten wie Basra blockierten sie Straßen und nahmen lokale Regierungsgebäude ein. Vom Iran unterstützte Milizen schossen auf sie, sie schossen zurück, am Abend wurden Befürchtungen vor einem Bürgerkrieg zwischen den rivalisierenden schiitischen Milizen laut. Am Dienstag forderte al-Sadr seine Anhänger auf, die Grüne Zone in Bagdad zu räumen. Das taten sie. Gelöst sind die Konflikte dadurch keineswegs.