Europa am Abgrund
Einen Tag nach seiner Abreise am 23. April 1922 aus Petrograd mit dem Ziel Kowno (heute Kaunas) traf Dubnow in Reval (heute Tallinn) ein, der Hauptstadt des unabhängigen Estlands. Hier wurde ihm bewusst, wie bekannt er in den intellektuellen jüdischen Kreisen inzwischen war. In Reval traf er mit dem Rechtsanwalt Samson Kalmanowitsch, dem Vorsitzenden des Kulturrates der Juden Estlands, Grigori Eisenstadt, und dem Vertreter der Gesellschaft zur Förderung von Arbeitern und Handwerkern unter den Juden (ORT), M. Feinlejb, zusammen, die ihm beim Umsteigen in den Zug nach Riga behilflich waren. Im Rigaer Bahnhof wurden die Eheleute Dubnow von einer Vielzahl unterschiedlicher jüdischer Vertreter und Persönlichkeiten der Stadt empfangen, darunter die Sejm-Abgeordneten Mordechai Nurok und Jakob Hellmann, der Leiter der Abteilung für jüdische Kultur im Bildungsministerium, Jakob Landau, einer der führenden Köpfe der dortigen Zionisten, Herman Wassermann, und eine Reihe anderer Vertreter der Gemeinde. In der Hauptstadt Lettlands unterbrach Simon Markowitsch (Dubnow; Ergänzung d. Red.) seine Reise für eine Woche, in deren Verlauf er die unterschiedlichsten lokalen jüdischen Einrichtungen besuchte. Bei der Ankunft Dubnows war die aktuelle Sprachendebatte im vollen Gang, so dass er gebeten wurde, hierzu öffentlich Stellung zu beziehen. Dubnow hielt seine Rede an einem der bekanntesten Orte Rigas: im Großen Festsaal des Schwarzhäupterhauses. Im Wesentlichen wiederholte er seine früheren Ausführungen zu diesem Thema, nannte Beispiele aus der europäischen Geschichte, und verteidigte den Sprachenpluralismus.
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