Die rechtsextreme Demonstration in Paris gegen steigende Energiepreise war ein Flop

Rechtsextremer Flop

Eine Demonstration in Paris gegen steigende Energiepreise und für die Auf­hebung der Sanktionen gegen Russland sollte der Auftakt für einen heißen Herbst von rechts sein. Obwohl landesweit aufgerufen worden war, kamen nur 2 000 Leute.

So schön hatten sie es sich ausgemalt. Einen mächtigen Auftakt für einen heißen Herbst von rechts wollten sie setzen, mit Parolen für Wladimir Putin: »Die Patrioten«, die Anhänger des früheren Chefideologen des Front national (FN), Florian Philippot. Der hatte, nachdem er im Frühherbst 2017 aus der Partei gedrängt worden war, seine ei­gene Kleinpartei gegründet. Diese ist nicht mehr im Parlament vertreten. Ihr früher einziger Abgeordneter, José Évrard, wechselte 2020 zur Partei Debout la France und verstarb diesen Januar an Covid-19, nicht ohne sich zuvor öffentlich auf die Seite der Impfgegner geschlagen zu haben.

Philippots Partei versucht, durch ­außerparlamentarische Agitation im Gespräch zu bleiben. Im Vorjahr ist ihr dies zeitweise gelungen; im Hochsommer 2021 wurde sie zum faktischen Träger des rechten Impfgegnerprotests und konnte allein in Paris bis zu 10 000 Demonstranten mobi­lisieren.

Weitere Themen auf der Demon­s­tra­tion waren die »Neue Welt­ordnung«, die »Impf­verschwörung« und die Forderung nach dem Austritt Frankreichs aus der Nato.

Nun sollten es in diesem Jahr die steigenden Energie- und Treibstoffpreise werden, die massenhaft Unzufrie­dene auf die Straße bringen. Ihren Unmut wollte man mit der Forderung nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland kombinieren.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat Philippot dieses Thema für sich entdeckt. Seine Videos werden immer wieder publiziert, unter anderem bei Youtube: »Die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine« versprach etwa ein von ihm im März veröffentlichter Clip. Einer der beiden Diskussionspartner Philippots war hier Romain Bessonnet, der Übersetzer und Herausgeber eines Bandes mit Reden Wladimir Putins in französischer Sprache. Ansonsten bezeichnete Philippot das ukrainische Führungspersonal als »Nazis« und richtete Vorwürfe gegen den französischen Präsidenten Emmanuel Macron – er profi­tiere politisch vom Krieg. An anderer Stelle äußerte er die Hoffnung, die ­internationale Krise beschleunige »die Rückkehr Donald Trumps«.

Seit Anfang August versprach Philippot einen »kraftvollen Auftakt« in die zweite Jahreshälfte und träumte davon, den verbreiteten Zorn über die Energiekrise und steigende Preise zu bündeln und politisch zu nutzen. Das Pro­blem ist real. Anfang dieser Woche verkündete der staatlich konzessionierte private Betreiber mehrerer Dutzend ­öffentlicher Schwimmbäder in französischen Städten, die Firma Vert Marine, unvermittelt die Schließung von 30 kommunalen Bädern – sehr zum Verdruss von Nutzern und Schulklassen.

Was den Unmut in Frankreich wie­der­um dämpft, ist ein seit dem 1. September geltender nochmals erhöhter Tankrabatt, der Benzinpreis wird in Frankreich schon seit dem Frühjahr subventioniert. Ergänzt wird er durch einen weiteren Tankrabatt, den der französische Ölkonzern Total Energies – früher Elf, dann Total – für die Kunden seiner Tankstellen einführte. Nach dem Ende der Sommerurlaubsperiode sank dadurch plötzlich der Benzinpreis vielerorts um 30 bis 40 Cent pro Liter. Dies entspannte die innenpolitische Situation etwas, auch wenn es Kritik am erhöhten staatlichen Tankrabatt gibt, der in den ersten Augusttagen im Parlament beschlossen worden war.

Die wirtschaftsliberale Partei Ma­crons, Renaissance, früher LREM genannt, wollte zunächst einen Tankrabatt gezielt für einkommensschwache Haushalte und vor allem Berufspendler verabschieden, doch da sie über keine absolute Mehrheit mehr verfügt, musste sie mit anderen Fraktionen paktieren. Letztlich schloss sie einen Kompromiss mit der konservativen Oppositions­partei Les Républicains (LR), die einen einkommensunabhängigen generellen Tankrabatt wünschte. Dieser wird nun als ein umwelt- und klimapolitisch schädliches Signal kritisiert, er nutze auch Fahrern spritschluckender »Stadtpanzer« vom Typ SUV sowie deutschen und belgischen »Tanktouristen«, die die für den Rabatt aufgewen­deten Steuermittel nicht mitfinanzieren. Doch nahm die Maßnahme, die zunächst bis zum Jahresende befristet ist, dem Protest den Wind aus den Segeln.

Nur rund 2 000 Menschen waren es letztlich, die am Samstag in Paris hinter Philippot demonstrierten, trotz eines frankreichweiten Aufrufs, der Parteianhänger selbst aus dem Süden des Landes mobilisierte. Auch ein Mann mit Putins Konterfei auf einem roten T-Shirt nahm an dem Aufmarsch teil, zu dessen Auftakt vor dem Gebäude der Nachrichtenagentur AFP mächtig gegen die »Lügenpresse« gewettert wurde. Weitere Themen waren »die Neue Weltordnung«, die »Impfverschwörung« und die Forderung nach dem Austritt Frankreichs aus der Nato. Vom Geisteszustand der Teilnehmer zeugen auch die von ihnen hinterlassenen Graffiti: Neben Behauptungen über Impfschäden fanden sich dort Ankündigungen einer »Beerdigung Macrons« und mehrere Lobhudeleien für Putin, »den besten Präsidenten der Welt«.

Auftakt einer Massenbewegung war dieser Aufmarsch gewiss nicht, auch wenn es durchaus möglich ist, dass die Rechten Proteste initiieren und nutzen könnten, sollte sich die Lage bei der Energieversorgung in den kommenden Monaten zuspitzen. Immerhin stehen die »Patrioten« mit ihrer ostentativen Putin-Begeisterung nicht allein.

»Mut« für ihre Bereitschaft, sich gegen »in den Medien durchgesetzte Dogmen« zu behaupten, attestierte am Montag in einem Fernsehinterview der im April gescheiterte rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour einer sozialdemokratischen Politikerin – Ségolène Royal, die in der Vergangenheit als Umweltministerin fungiert und 2007 zur Präsidentschaftswahl kandidiert hatte. Es ging um Putins Russland.

Am Freitag voriger Woche hatte Ro­yal in einem Interview, das ihr inzwischen eine Strafanzeige von der französischen Prominentengruppe »Stand with Ukraine« eintrug und dessen Aussagen sie in den folgenden Tagen abzuschwächen versuchte, russische Kriegsverbrechen in der Ukraine relativiert, wenn nicht negiert. Unter anderem sagte Royal, wenn es bei der Bombardierung des Entbindungsstation im südukrainischen Mariupol im März »wirklich Opfer mit Blut« gegeben hätte, dann wüsste man davon »im Zeit­alter von Smartphones«, in denen die Bilder umgingen. Dass es entsprechende Bilder gibt, erwähnte sie nicht. Ferner echauffierte sie sich darüber, dass man »Schilderungen verbreitet über Kinder, die stundenlang durch Soldaten vergewaltigt werden, nur um den Friedensprozess zu stören«. Welchen Friedensprozess es in den besetzten Gebieten der Ukraine derzeit geben soll, blieb ihr Geheimnis – ebenso wie die Antwort auf die Frage, ob es nicht skandalöser ist, solche Verbrechen zu be­gehen, als sie zu schildern.