Homestory

Homestory #38

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Es ist ein großes Elend mit den Bezahlschranken, den Paywalls. Kaum hat man einen interessanten Essay, einen gut recherchierten Hintergrund, eine faszinierende Reportage entdeckt, bricht unvermittelt das Lesevergnügen ab. Zum Ausgleich bekommt man oftmals bahnbrechende Informationen darüber, wie viele Prozent des Textes leider, leider nur für Abonnentinnen und Abonnenten oder Leute, die unmittelbar für die Lektüre bezahlen, erreichbar sind. Vor Jahren gab es noch Tricks, wie man umsonst an solche Texte kommen konnte. Zum Beispiel konnte man bei einigen internationalen Tageszeitungen den Titel eines Artikels bei Google eingeben und über die Suchfunktion den gesamten Text ausfindig machen. Doch die technologischen Neuerungen auf diesem Gebiet sind unbarmherzig, die Schlupflöcher mittlerweile zum größten Teil versperrt. Die britische Tageszeitung The Guardian ist eine Ausnahme, auf ihrer Website finden sich alle Artikel ohne Paywall, dafür wird man regelmäßig mit Aufrufen zum Spenden und Abonnieren belästigt, oft mit dem Hinweis, in den vergangenen zwölf Monaten habe man bereits 3 000 Artikel gelesen, sei deshalb einer der eifrigsten Leser ever, nun werde es aber höchste Zeit und so weiter und so fort.

Nun ja, es ist ja klar, Journalismus kostet Geld, Honorare für die Autorinnen und Autoren, Recherche- und Reisezuschüsse für Reportagen wollen bezahlt sein, selbst die Mitarbeitenden in den Redakti­onen müssen von irgendetwas leben. In Ihrer Lieblingszeitung gab es lange Diskussionen, ob, und, wenn ja, welche Artikel hinter eine Paywall verfrachtet werden sollen. Manchmal wecken diese besondere Begehrlichkeiten. So erreichte Ihre ehrenwerte Lieblingsredaktion vorige Woche eine überaus höflich formulierte Anfrage: »Sehr geehrtes Team der jungle world, wäre es möglich, uns den untenstehenden Artikel frei lesbar zur Verfügung zu stellen? Leider ist Ihr Medium in unserem Pressemonitoring (noch) nicht vorhanden.« Es ging um den Artikel mit dem Titel »Auf der Suche nach dem Tatortreiniger«. Auch wenn ein Tatortreiniger sicherlich das ­Interesse vieler Jungle-Leserinnen und -Leser wecken dürfte, ging es nicht um probate Mittel, einen Tatort nicht nur sauber, sondern sozusagen spurenrein zu bekommen. Insofern war auch die Anfrage möglicherweise etwas fehlerhaft motiviert. Sie kam nämlich von einer Pressestelle der Polizei. In beiderseitigem Interesse jedenfalls eine gute Empfehlung: Höchste Zeit, das »Pressemonitoring« auf Stand zu bringen und jede Polizeipressestelle in diesem unserem Land mit einem Abo der Jungle World zu beglücken!