Die Ministerposten der neuen italienischen Rechtsregierung sind verteilt

Kabinett für den Kulturkampf

Ende Oktober wurden in Italien die Verhandlungen über die Posten im Kabinett der rechten Koalition abgeschlossen und Giorgia Melonis neue Regierung wurde vereidigt.

Wer es zum Antritt der neuen rechten Regierung in Italien am 22. Oktober auch sprachlich hervorgehoben sehen wollte, dass Giorgia Meloni die gläserne Decke durchbrochen hat und als erste Frau eine italienische Regierung anführt, wurde enttäuscht. Die neue Ministerpräsidentin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) beharrt auf dem männlichen Amtstitel »il Presidente del Consiglio dei ministri« (der Präsident des Ministerrats). Die Regierung aus FdI, der rechtspopulistischen Lega Matteo Salvinis sowie Silvio Berlusconis liberal-konservativen Forza Italia steht nicht für Emanzipation, eher für Restauration.

Knapp die Hälfte von Melonis Kabinett gehörte bereits vor 15 Jahren der bislang letzten rechten Regierung an, die von Silvio Berlusconi (Forza Italia) geführte wurde. Die FdI stellen neun Minister. Melonis Regierungsprogramm vermengt alten Neoliberalismus mit dem jüngeren Souveränismus. Das Unterrichtsministerium heißt jetzt »Ministero dell’istruzione e del Merito« (Ministerium für Bildung und Meritokratie). Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung heißt fortan allen Ernstes »Ministro delle imprese e del made in Italy« (Minister der Unternehmen und des made in Italy) und das Landwirtschaftsministerium ist künftig auch eines für »Lebensmittelsouveränität«.

Melonis Regierungsprogramm vermengt alten Neoliberalismus mit dem jüngeren Souveränismus.

Da sich Meloni in der Außenpolitik darauf festgelegt hat, die transatlantische Solidarität fortzusetzen, und die Energiekrise wirtschaftspolitische Sofortmaßnahmen erfordert, ist es für die rechte Koalition umso wichtiger, den Willen zur »kulturellen Hegemonie« zu markieren: Das Familienministerium will sich nun auch der »Geburtenförderung« widmen und wird von Eugenia Roccella (FdI) geführt, einer erzkatholischen »Lebensschützerin«, die für homo- und transphobe Propaganda und ihren Kampf gegen das Abtreibungsrecht bekannt ist.

Auch in anderen Ministerien bürgt allein der Amtsinhaber für nationalchauvinistische, autoritäre Ziele: Mit Carlo Nordio (FdI) wurde ein Staatsanwalt in das Justizministerium berufen, der die politische Unabhängigkeit seiner eigenen Zunft einschränken möchte und für eine neue verfassunggebende Versammlung zur Einführung eines Präsidialsystems eintritt. Raffaele Fitto (FdI) hatte bisher im Europäischen Parlament für die FdI den Co-Vorsitz der rechtsextremen Fraktion »Europäische Konservative und Reformer« inne und soll zukünftig als Europaminister die Idee von einem »Europa der Völker« vertreten. Das Verteidigungsministerium wurde mit dem FdI-Mitgründer Guido Crosetto besetzt, dem früheren Präsidenten des Verbands der italienischen Raumfahrt-, Verteidigungs- und Sicherheitsunternehmen AIAD. Antonio Tajani (Forza Italia), ein ehemaliger Präsident des Europaparlaments und langjähriger Vertrauter Berlusconis, wird Außenminister.

Dem Lega-Vorsitzenden Matteo Salvini blieb die Rückkehr in das Innenministerium zwar verwehrt, als Infrastrukturminister behält er aber die Zuständigkeit für die Häfen. Über die Regelung von Ein- und Ausfahrten von Hilfsschiffen kann er somit seinen Kampf gegen die zivile Seenotrettung fortführen. Da sein früherer Staatssekretär, Matteo Piantedosi (parteilos), zum neuen Innenminister befördert wurde, ist eine kooperative Zusammenarbeit mit den ausführenden Sicherheitskräften garantiert.

Piantedosi war zuletzt Polizeipräfekt in Rom und hat vergangene Woche seine Vorstellung von law and order gleich zweimal deutlich gemacht. Zum einen hat er die von der Koalition gewünschte Politik der »geschlossenen Häfen« umgehend eingeführt, indem das Innenministerium den Rettungsschiffen »Ocean Viking« von SOS Méditerranée und »Humanity One« von SOS Humanity, die mehrere Hundert aus dem Meer geborgene Geflüchtete an Land bringen wollten, wegen angeblicher Verstöße gegen europäische Grenznormen keine Häfen zuwies. Zum anderen rechtfertigte der Innenminister Gewalt bei einem Polizeieinsatz an der römischen Universität La Sapienza. Mit Sprechchören und Transparenten hatten Studierende versucht, gegen eine von der rechtsextremen Studentenvereinigung Azione universitaria (Universitäre Aktion) organisierte Tagung zu protestieren, auf der eine Mischung aus Neoliberalismus und Souveränismus als »guter« Kapitalismus präsentiert wurde. Videoaufnahmen belegen, wie Polizisten mit Schlagstöcken auf friedliche Studierende einschlugen, Piantedosi hingegen sah in den Protestierenden »professionelle Krawallmacher«, die eine genehmigte Veranstaltung stören wollten.

Beide Episoden lassen befürchten, dass die Regierung auch zukünftig bereit sein wird, im Namen der »öffentlichen Sicherheit« die soziale Opposition gegebenenfalls mit Gewalt zurückzudrängen. Zwar bekannte Meloni in ihrer ersten Regierungserklärung vor dem Parlament, dass sie aufgrund ihrer eigenen politischen Biographie »Sympathie« für jugendlichen Protest hege, allerdings nur solange dieser nicht den »Hass des Bürgerkriegs« schüre.

Für diesen macht sie nicht etwa Rechte verantwortlich: Auch anlässlich des 100. Jahrestags der faschistischen Machtübernahme am 28. Oktober 1922 vermied Meloni eine umfassende Distanzierung von Benito Mussolinis Regime, um stattdessen einmal mehr den »militanten Antifaschismus« zu geißeln, der seit den siebziger Jahren die »nationale Aussöhnung« mit einer »demokratischen Rechten« verhindere. Ihr Versprechen, für eine »bessere Nation« zu arbeiten, »nicht zurückzuweichen« und die rechte Wählerschaft »nicht zu verraten«, klingt wie eine Drohung, in der der neofaschistische Slogan »Boia chi molla« (etwa: »Zum Henker, wer aufgibt«) anklingt. Solange sich die Opposition jedoch mehr am falschen ­Artikel als am falschen Regierungsprogramm stört, muss il presidente nicht fürchten, in ihrem Tatendrang aufgehalten zu werden.