»Die Idee ist die der Arbeiterselbstverwaltung«
Was ist demokratische Arbeitszeitrechnung?
Mit der demokratischen Arbeitszeitrechnung wird transparent abgebildet, wie viel jeder Einzelne arbeitet, damit die eigene Arbeitszeit den Anteil am Konsum bestimmen kann. Die rationale Recheneinheit wäre die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Dann braucht man auch kein Geld mehr, denn das drückt die Stundenanzahl ja nur sehr indirekt aus. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass es kein Privateigentum an Produktionsmitteln gibt. Gleichzeitig sollen die Produktionsmittel aber auch kein Staatseigentum sein. Anders als beispielsweise der Proudhon’sche Ansatz zielt die demokratische Arbeitszeitrechnung also nicht nur auf die Veränderung der Zirkulation, sondern setzt die Sozialisierung von Produktionsmitteln voraus. Die Idee der GIK ist die der Arbeiterselbstverwaltung, bei der der Staat keine Rolle spielen soll, weil sich die Betriebe in Räten autonom organisieren. Die politökonomischen Entscheidungen werden demokratisch über einen allgemeinen Rätekongress getroffen.
Wie unterscheidet ihr euch von anderen Strömungen der sozialistischen oder kommunistischen Planwirtschaft?
Die GIK hat sich mit dem Bolschewismus der Sowjetunion auseinandergesetzt und festgestellt, dass das nicht die Emanzipation der Arbeiterklasse gewesen ist. Die Arbeiter wurden weiterhin in den Betrieben ausgebeutet. Es gab nach wie vor Lohnarbeit und fremd angeeignete Mehrarbeit. Das sollte in einer sozialistischen oder kommunistischen Produktionsweise eigentlich nicht passieren. Die demokratische Arbeitszeitrechnung beruht deshalb auf der Planungsautonomie der Betriebe. Diese bestimmen selbst über die Einholung und Weitergabe von Produkten und geben sich selbst die Produktionspläne vor, anstatt dass ein übergeordnetes Gremium es ihnen oktroyiert. Gleichzeitig bleiben die Produktionsmittel aber im Besitz der Gesellschaft, sie gehören nicht den einzelnen Betrieben, weshalb die Produktionspläne auch an die Bedürfnisse der Konsumenten angepasst werden sollen. Unter diesen Voraussetzungen entstünden völlig neue Beziehungen der Menschen miteinander. Wo heute kapitalistische Konkurrenz zwischen den Betrieben waltet, würde aufgrund vergesellschafteter Produktionsmittel eine Kooperation der Betriebe entstehen. Die Arbeiter in den Betrieben könnten eigenständig aushandeln, wie viel sie leisten wollen. So lösen sich sehr viele Schwierigkeiten auf, die durch den Staatssozialismus entstehen. Denn mit der demokratischen Arbeitszeitrechnung braucht es keine zentrale Instanz mehr, die alles überblickt und richtig berechnet.
Wie fließt die Reproduktionsarbeit in die Arbeitszeitrechnung ein?
Das ist ein ständiger Diskussionspunkt. In der GIK-Schrift gibt es dazu nicht viel. Wir denken, reproduktive Arbeit könnte durch eine Art Guthaben oder eine Pauschale vergütet werden.
Wie war die Resonanz auf eure Veranstaltungen bisher?
Die drei Vorträge, die wir bisher gehalten haben, kamen sehr gut an. In Workshops konnten Interessierte unsere App in Planspielen ausprobieren. Viele waren begeistert von der Idee. Der nächste Schritt wäre, mit selbstorganisierten Betrieben in Kontakt zu kommen, um sie dazu einzuladen, sich über die App zu vernetzen. Die App kann schon heute beispielsweise von Genossenschaften und Kollektivbetrieben genutzt werden, um gewisse Arbeiten zu planen und zu verteilen.