Vage Gesprächsangebote Putins im Krieg gegen die Ukraine

Putin gibt sich gesprächsbereit

Die russische Führungsriege redet Erfolge im Krieg gegen die Ukraine herbei und beteuert, sie sei grundsätzlich verhandlungsbereit.

Alles geht seinen Gang. Diese Botschaft verkündete Wladimir Putin kürzlich beim Abschlusstreffen der Eurasischen Wirtschaftsunion in Kirgistans Hauptstadt Bischkek. Gemeint war die sogenannte Spezialoperation in der Ukraine, die ohne Fragen und Probleme aufzuwerfen voranschreite. Nur dauere es eben seine Zeit, bis der Konflikt geregelt werden könne. Der Prozess sei nicht einfach und erfordere zudem Realitätsnähe. Wer auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen hofft oder gar kriegsmüde ist, braucht den Worten des russischen Präsidenten zufolge also eine gute Portion Durchhaltevermögen.

Viel mehr als Allgemeinplätze und vage Versprechen eines Wiederaufbaus der von Russland annektierten und zuvor von russischen Streitkräften zerstörten ukrainischen Gebiete lässt sich Putin nicht entlocken. Klare Kriegsziele formuliert er nicht. Da ist es nur konsequent, dass er auf seine große Jahrespressekonferenz und seinen Auftritt vor der aus den beiden Kammern des Parlaments bestehenden Föderationsversammlung verzichtet. Regierungsnahe Medien sollen Anweisungen aus der Präsidialverwaltung erhalten haben, wie diese Absage einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln sei: Zu sehr nehme die Spezialoperation den Präsidenten derzeit in Beschlag, und erst wenn die angestrebten Erfolge einträten, wäre ein geeigneter Zeitpunkt für die großen Auftritte.

Die englischsprachige Internetzeitung Moscow Times erklärte Putins öffentliche Zurückhaltung damit, dass dem Machtapparat ein Konzept fehle, wie auf die wachsende Besorgnis in Russland reagiert werden kann. Umfragen lassen darauf schließen, dass über die Hälfte der Bevölkerung Verhandlungen befürwortet und nur eine Minderheit es für richtig erachtet, die Kampfhandlungen fortzusetzen. Dass die trotz gegenteiliger Behauptungen keineswegs beendete Mobilmachung den Staat vor erhebliche Schwierigkeiten stellt, lässt sich kaum verbergen.

Die westliche Diplomatie hat ebenfalls wenig zu bieten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sucht zwar ständig den Kontakt zu seinem russischen Amtskollegen. Doch Hoffnungen, im persönlichen Austausch eine Beendigung des Kriegs zu erwirken, haben sich bislang nicht erfüllt. Dabei kam Macron dem Kreml sogar sichtlich entgegen, indem er gewisse Sicherheitsgarantien ins Gespräch brachte. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hält, ohne Erwartungen zu wecken, die Kommunikation mit Putin ebenfalls aufrecht, wobei sich durchaus die Frage nach der Zweckmäßigkeit seiner Telefonate stellt.

Noch weniger optimistisch gibt sich US-Präsident Joe Biden. Zwar sagte er Anfang Dezember, er sei generell nicht abgeneigt, mit Putin Szenarien zur Beendigung des Kriegs zu diskutieren, aber nur wenn es ernsthafte Absichten für eine Konfliktlösung gebe. Russlands Außenminister Sergej Lawrow konterte, Russland sei seinerseits zum Dialog mit den USA bereit, allerdings müsse deren Führung ihre Fehler eingestehen. Als Gesprächsgrundlage könnten Vorschläge dienen, die sein Ministerium vor genau einem Jahr unterbreitet hatte – als ob der zerstörerische Angriffskrieg gegen die Ukraine nie stattgefunden hätte.

Dass sich die Kräfteverhältnisse seither immens verschoben haben, blendet Lawrow wohlweislich aus. Zudem hat sich Russland mit der Annexion weiterer ukrainischer Gebiete selbst in eine juristische Sackgasse manövriert, denn ein Verzicht auf die Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson, die Ende September nach Scheinreferenden der Russischen Föderation beigetreten sind, stellt nun einen Verfassungsbruch dar. Dabei kontrolliert russisches Militär nicht einmal deren komplette Territorien.

In den vergangenen Monaten sprachen etliche hochrangige russische Staatsvertreter von einer grundsätzlichen Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Auch sie gaben aber meist zu verstehen, dass sich die ukrainische Führung auf ihre Sicht der Dinge einzulassen habe – also die von Russland geschaffenen Realitäten der territorialen Zugehörigkeit der Oblaste anerkennen müsse. Putin äußerte sich Ende Oktober dahingehend, dass es der Sache nicht dienlich sei, die eigenen Standpunkte im Vorhinein mitzuteilen. Eine Einigung könne nur in Verhandlungen erreicht werden.

Solange sich alle Kriegsparteien – begründet oder unbegründet – Chancen auf einen militärischen Sieg ausrechnen, wird es bei halbherzigen Absichtserklärungen bleiben. Wo Frieden nicht in Sicht ist, wäre schon ein Waffenstillstand ein riesiger Erfolg. Von einem solchen würde nach Einschätzung des US-amerikanischen Think Tanks Institute for the Study of War Russland profitieren, dessen Präsident mit seiner Hinhaltetaktik versuche, Zeit für die Neuaufstellung der Truppen zu gewinnen. Putin gehe es vor allem darum, die ukrainische Führung als das zen­trale Hindernis für einen Friedensschluss darzustellen, damit ihre Verbündeten sie zu mehr Kompromiss­bereitschaft drängen.