Dass Popmusik etwas genuin »Schwarzes« ist, ist ein Irrglaube

War Elvis ein Seelendieb?

Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass die moderne populäre Musik, wie sie in den USA entstand, etwas genuin Schwarzes sei, das das weiße Amerika permanent zu rauben versuche. Wie falsch diese Annahme ist, zeigt ein kurzer Streifzug durch die tatsächliche Geschichte und Vorgeschichte der Popmusik.
Von

Es gibt wohl kaum etwas Absurderes als die Debatten über blackness, die vor allem den Aufstieg des HipHop zur seit Jahrzehnten dominanten Strömung populärer Musik begleitet haben und noch begleiten. Denn die Idee einer authentisch schwarzen Musik oder gar eines authentisch schwarzen Gestus, die sich in Musik und ihrer Präsentation ausdrücke, hält nicht etwa Altes, Überkommenes fest, sondern erfindet eine Tradition, Kultur oder – was immer das sein möge – Identität. Die Erfinder tun ihr zuliebe so, als gäbe es einen authen­tischen afroamerikanischen Stil, der von irgendwie typischer Mode bis zu irgendwie typischer Rhythmik reiche und der US-amerikanischen, britischen oder französischen Bürgern mit einem wie fernen oder nahen schwarzafrikanischen Migrationshintergrund auch immer quasi angeboren sei. Nur wer diese Prämisse teilt, kann überhaupt auf den Gedanken kommen, wiggers – ein verächtlich gemeintes Kofferwort aus white und nigger – verbieten zu wollen, dieses »Typische« zu übernehmen.

Es sind nicht nur Rapper wie jüngst The Game, die so daherreden, um ihr Geschäftsmodell gegen falschfarbige Konkurrenz wie Eminem zu verteidigen, den wigger schlechthin. Auch und gerade im akademischen Kulturbetrieb gibt es nicht wenige, die mit derlei Behauptungen versuchen, ihr Ticket als Repräsentanten unterdrückter Kulturen oder Ethnien zu lösen: In Kulturwissenschaften und Poptheorie kann es schon bald als anerkanntes Grundaxiom gelten, dass ein seelenloses weißes Amerika sich auf nachgerade vampiristisch zu nennende Weise der Seele bemächtigt, die die afrikanischen Sklaven vor allem mit ihrer Musik ins Land brachten – mit »Soul Thieves« ist dann auch eine 2014 erschienene Aufsatzsammlung betitelt, die akademische Größen der Theorie über »cultural appropriation«, von Baruti Kopano bis Tamara Brown, versammelt.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::