Der Verein Wandelbündnis ­vereint Esoteriker und Verschwörungstheoretiker

Bündnis mit Verschwörungsbeigabe

Der Berliner Verein Wandelbündnis soll Klimaaktivist:innen der Gruppe Letzte Generation unterstützen, indem er einige von ihnen als Angestellte beschäftigt. Die Organisation vertritt ein esoterisches Naturideal und hat Verbindungen zu Verschwörungstheoretikern.

Ein Bericht der Welt über die Bezahlung von Aktivist:innen der Letzten Generation sorgte Anfang Januar für Aufsehen. Den formalen Rahmen ­bilde ein Anstellungsverhältnis der Klima­aktivist:innen beim Verein Wandelbünd­nis e. V. Auf den ersten Blick ­erscheint das Ziel des Berliner Vereins, ein »gutes Leben für alle« in »Koope­ration, Selbstbestimmung und Solidarität«, durchaus erstrebenswert. Die »Changemaker«, wie sie sich nennen, wünschen sich »eine gute Welt für alle Lebewesen, eine Welt, in der Mensch und Natur in Frieden sind«. Die Vorstellung von einem »ursprünglichen« und überschaubaren Leben im »Einklang mit der Natur«, wie es an anderer Stelle heißt, verweist auf Sehnsüchte und Ängste der grün-bürgerlichen Mittelschicht. Das vom »Imperium des Geldes« und realen Ängsten vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg befreite Leben scheint dem Verein nur denkbar mit Rückbezug auf agrarisch geprägte bäuerliche Siedlungen. An gesellschaftlichen Strukturen rüttelt das Bündnis, anders als es behauptet, nicht. In seinem bereits zitierten »Memorandum of Understanding« verkündet es: »Wir nehmen alle mit: Visionärinnen und Künstler, ­Polizisten und Hebammen.« Ferner wünsche man sich »die Herstellung ­eines friedlichen Umgangs der Menschen und Völker untereinander«. Ohne Ordnungs­hüter:innen und Völker geht es anscheinend nicht.

Rudolf »Bobby« Langer ist Vorstandsmitglied des Wandelbündnisses und Betreiber des eng damit verwo­benen bayerischen Projekts Ökoligenta, das den »Umbau der Industrie- und Konsumgesellschaft« unterstützen soll. Zusammen mit Alexander »Alander« Baltosée verantwortet Langer auch die Facebook-Seite von Öko­ligenta sowie eine angeschlossene Gruppe. Baltosée echauffierte sich dort im Herbst 2020 über die »Desinformation«, mit der die Regierung die seinerzeit getroffenen Coronaschutzmaßnahmen rechtfertige. Er zitiert auf seinem Facebook-Account die bei Esoterikern beliebte Indianer-Mythologie herbei, die den Weißen mangelnde Ehrfurcht vor der Natur und der Schöpfung vorwirft. Die beiden Facebook-Administratoren scheinen in ihrer Gruppe auch kein Problem mit Werbung für einen »Familienlandsitz« der völkisch-antisemitischen Anastasia-Bewegung zu haben. Das verwundert kaum, denn das Motiv eines Lebens »im Einklang mit der Natur«, fern vom Moloch der Großstadt, ist bei dieser Siedlerbewegung omnipräsent. Das Wandelbündnis zeigt sich insgesamt offen in viele Richtungen: »Spiris, Ökos, Kommunisten und Anarchos, Christen, Moslems, Buddhisten und Atheisten« – sie alle sollen sich zusammentun und das »Wesen Erde« retten.

Auf der Internetseite des Projekts finden sich lange Listen mit den »Themen, Visionen und Zielen der Wan­delbewegung«. Dazu gehören Mobilität ohne Privatfahrzeuge, dezentrale Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen, artgerechte Tier­haltung sowie die Wiederherstellung von Auen, Mooren und Sümpfen. So weit, so ökologisch sinnvoll. Doch dazwischen finden sich auch hanebüchene esoterische Ideen wie die »Wasser-Energetisierung als Standard«. Dahinter steckt der Aberglaube, Wasser transportiere »Informationen« oder positive Gedanken. Zur dieser »Energetisierung« werden in der Regel Edelsteine wie Rosenquarze benutzt.

Als »globales Kernziel« kommt ganz am Anfang der Liste die »Achtung der ökologischen Kapazität einer Region beim Bevölkerungszuwachs«. Ob mit Regionen hier auch dichtbevölkerte Megacitys wie Tokio oder New York gemeint sind? Das Stichwort Bevölkerungszuwachs deutet auf die sogenannte »Überbevölkerungstheorie« der im Kern menschenfeindlichen Tiefenökologie hin. In einem weiteren Internetdokument bezeichnet das Wandelbündnis diese spiritu­elle Naturphilosophie und eine ihrer Urhe­ber:innen, Joanna Macy, als »Quelle«. Andere Punkte bleiben aufgrund des Stichwortcharakters kryptisch, wie etwa die Forderung nach »Bildungsfreiheit (Finanzierung von Universitäten, Fachhochschulen und Ausbildungen durch die Wirtschaft)«. Die noch zu humanisierende Wirtschaft solle anscheinend statt des Staats Bildungsangebote finan­zieren.

Immer wieder taucht im Umfeld des Wandelbündnisses der Begriff der Gemeinwohlökonomie auf. Dieser Begriff basiert auf dem Buch »Gemeinwohlökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft« des österreichischen Attac-Mitgründers Christian Felber von 2010. Bei seinem »neuen« Modell handelt es sich im Kern um eine idealisierte Marktwirtschaft, einen Wohlfühlkapitalismus, in dem sich nichts substantiell zu ändern braucht. Bei Felber gibt es keine fundamentale Kritik an den Produktionsverhältnissen, den Zwang zur Lohnarbeit nimmt er als natürlich gegeben an.

Felber ist ebenfalls Anhänger der Tiefenökologie und verbreitet esoterisch und religiös aufgeladene »Wahrheiten« wie diese: »Das Herz hat Zugang zur unendlichen Weisheit des Kosmos, es ist die Schnittstelle zum Universum. Das Herz ist die Botschaft Gottes.« Ende 2021 offenbarte er sich auf dem verschwörungsgeneigten Internetportal »Nachdenkseiten« als »Impfskeptiker« und unterhält unter anderem Beziehungen zum Schweizer Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser.

Neben dem rechten Verschwörungstheoretiker und Reinkarnations­therapeuten Ruediger Dahlke versammelt Ökoligenta einige »Promis und Lichtgestalten der Öffentlichkeit« als Teil der Wandelbewegung. Johannes Gutmann, der Gründer der österreichischen Firma Sonnentor, die Biotees und -gewürze vertreibt, ist auch dabei. Sein Unternehmen orientiert sich an Felbers Prinzipien der Gemeinwohlökonomie und ist stolz darauf, überflüssige Tätigkeiten wie manuelles Etikettieren beizubehalten, statt sie von Maschinen erledigen zu lassen. »Betagte Menschen« würden sich über diese Handarbeit freuen, da sie sich dadurch »gebraucht fühlen«, findet Gutmann. Immerhin aber nahm man bei Sonnentor die Schutzmaßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie ernst.

Das sieht der deutschlandweit bekannte Hirnforscher Gerald Hüther, der auch zum Wandelbündnis gehört, anders. Im September 2021 beteiligte er sich an der Internet-Kampagne #allesaufdentisch, die gegen diese Maßnahmen gerichtet war,und behauptete mehrfach, das eigentliche Problem mit Covid-19 sei »nicht die Pandemie, sondern die Angst«. Mit Franz Alt ist auch noch ein bekennender Christ im Wandelbunde. In seinem Bestseller »Der Planet ist geplündert. Was wir jetzt tun müssen« (2022), schreibt er »Wir können und müssen einen stärkeren Austausch und eine tiefere Verbindung zwischen unserer materiellen Welt und der göttlich-geistigen Welt schaffen.« Die Wandelbewegung reproduziert schließlich die altbekannte unmenschliche Metapher von der »menschlichen Zivilisation« als »todbringendem Virus«. Bis zum geschädigten »Volkskörper« ist es zumindest ideologisch nicht mehr weit.