Die Grauen Wölfe operieren in Deutschland weitgehend ungestört

Graue Wölfe machen Party

Türkische Rechtsradikale veranstalten regelmäßig sogenannte Kulturveranstaltungen – kürzlich in Dortmund, demnächst in Köln. Mit Protest oder Gegenwehr müssen sie dabei kaum rechnen.

Jung und alt, Familien und Kinder, die feiern und den Wolfsgruß zeigen – das sieht man auf Bildern einer Veranstaltung in Dortmund, die im Internet kursieren. Am 27. Dezember hatten sich Anhänger der rechtsradikalen Graue-Wölfe-Bewegung in dem beachtlichen Saal der Fredenbaumhallen in Dortmund versammelt. Vor Hunderten Gästen traten Musikstars wie Mustafa Yıldızdoğan auf – eine Kultfigur türkischer Nationalist:innen. Ende der neunziger Jahre hatte er dem Gründer der Grauen Wölfe, Alparslan Türkeş, das Lied »Yandı Yürekler Yandı« gewidmet.

Organisiert wurde die »Kulturveranstaltung« von der ADÜTDF, der »Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.«, auch bekannt als Türk Fedarasyon – der wohl größte Dachverband türkischer Rechtsradikaler in Deutschland. Es ist nicht die erste Veranstaltung dieser Art und auch nicht die Letzte. In Köln soll am 22. Januar die nächste »Kulturveran­staltung« stattfinden, wieder mit einschlägigen Musikstars.

Die Türk Fedarasyon ist mit etwa 7 000 Mitgliedern in knapp 170 örtlichen Vereinen eine der größten rechtsradikalen Organisationen Deutschlands.

Türkische Rechtsradikale können sich in Deutschland seit langem ungestört organisieren und versammeln. Die Stadt Dortmund teilte auf Anfrage von Der Westen nur mit, sie habe »Kenntnis davon, dass gelegentlich Veranstaltungen dieser Art in privat geführten Hallen stattfinden, und hat, so weit es geht, einen Blick auf die Szene«. Linke Strukturen scheinen häufig ahnungslos oder nicht in der Lage zu sein, spontane Gegendemonstrationen zu organisieren. Eine Anfrage der Jungle World bei der Linksjugend und Linkspartei in Dortmund, ob man über die Zusammenkunft der Grauen Wölfe in den Fredenbaumhallen informiert gewesen sei, blieb unbeantwortet. Auch von der Linksjugend und Linkspartei in Köln gab es keine Antwort.

Die ADÜTDF wurde 1978 in Frankfurt gegründet. Von dort expandierte sie in die gesamte Bundesrepublik. Heutzutage ist sie mit etwa 7 000 Mitgliedern in knapp 170 örtlichen Vereinen eine der größten rechtsradikalen Organisationen Deutschlands. In Deutschland ist die Organisation formal selbständig, dennoch könne sie »inhaltlich und ideologisch als Tochter­organisation der MHP bezeichnet werden«, wie Politikwissenschaftler Kemal Bozay 2017 in einem Text für die Bundeszentrale für politische Bildung feststellte. Die türkische Partei MHP (Milliyetçi Hareket Partisi) ist die bedeutendste Partei der Ülkücü-Bewegung, die als Graue Wölfe bekannt ist. Die MHP wurde 1969 von Alparslan Türkeş gegründet, den dieses Milieu bis heute als Başbuğ (Führer) verehrt. Insbe­sondere gegenüber Kurd:innen vertrat Türkeş immer wieder ungezügelten Ras­sismus. Berüchtigt ist seine Drohung: »Wenn ihr Kurden weiterhin eure primitive Sprache sprecht, werdet ihr von den Türken auf die gleiche Weise ausgerottet wie schon Georgier, die Armenier und die Griechen.«

Derartige Vernichtungsrhetorik zog sich über Jahrzehnte durch rechte Kreise der türkischen Innenpolitik und befeuerte Gewalt und Ausschreitungen gegen Minderheiten. Im Kalten Krieg profitierten die türkischen Rechtsradikalen davon, dass sie als zuverlässige Kraft gegen den Kommunismus galten. Das öffnete ihnen auch im Ausland Türen. 1978 traf sich Türkeş in München mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) und besiegelte ein Bündnis zwischen dem Strauß-Flügel der Unionsparteien und den Grauen Wölfen. Strauß habe Türkeş damals versichert, dass ein »günstiges psychologisches Klima für die MHP in der Bundesrepublik geschaffen werden müsse«. Kurze Zeit später gründete die MHP die ADÜTDF in Hessen, wo man sich 1979 zur Jahreshauptversammlung in einem städtisch­en Saal in Schwarzenborn traf, den der Schwalmstadter CDU-Stadtrat Hans-Eckhardt Kannapin organisiert hatte.

Bis heute scheinen viele politische Verantwortliche sich offenbar kaum dar­an zu stören, dass sich türkische Rechtsradikale zu Massenevents in ihrer Stadt treffen. In »weiten Teilen der Politik« gebe es einen »weithin naiven Blick auf den türkischen Rechtsextremismus«, sagte der Journalist und Grün­dungsmitglied der Alhambra-Gesellschaft, Eren Güvercin, der Jungle World. Gerade Veranstaltungen wie die der ADÜTDF in Dortmund und Köln würden »von politischer Seite oft als banale Folkloreveranstaltungen wahrgenommen«. Dahinter steckten oft auch oppor­tunistische Motive. Nicht wenige Politiker seien darauf bedacht, »einen guten Draht zu derartigen Vereinen zu haben, denn diese können bei der nächsten Kommunalwahl nützlich sein. Es ist eine Mischung aus Naivität, fehlendem Problembewusstsein, aber eben auch politischem Kalkül.«

Auch einflussreiche Kreise in der Linkspartei spielen in diesem Kontext seit einigen Jahren eine unrühmliche Rolle. Die ehemalige religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Christine Buchholz, hat in der Vergangenheit immer wieder das Gespräch mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD) gesucht, in dem der Verband ATİB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa) als größter Mitgliedsverein organisiert ist. Die ATİB stellt eine bedeutende Abspaltung der Grauen-Wölfe-Bewegung dar, deren Grün­der, Musa Serdar Çelebi, einst die ADÜTDF mit aufbaute. Sie begrüße »die Zusammenarbeit mit dem ZMD«, sagte Buchholz 2018 in einem Interview mit dem Portal Die Freiheitsliebe, denn es sei wichtig, dass »diejenigen, die unmittelbar und am stärksten vom Rassismus der AfD und anderen betroffen sind, Teil unseres Bündnisses sind«. Man könnte meinen, dass die Zusammenarbeit mit derartigen Organisationen in einer sich als links verstehenden Partei auf Widerspruch stoßen würden. Doch auf dem jüngsten Bundesparteitag ist Buchholz ein weiteres Mal in den Parteivorstand gewählt worden. Bis heute ist sie gern gesehener Gast auf antifaschistischen Veranstaltungen.