Der US-Kongressabgeordnete und Profischwindler George Santos im Porträt

Hochstapeln in Reinkultur

Porträt Von

Was für eine Biographie: Der republikanische US-Kongressabgeordnete George Santos ist der Nachfahre ­jüdischer Überlebender der Shoah, die aus der Ukraine nach Brasilien ausgewandert sind. Seine Mutter war in der Finanzbranche und starb bei den Anschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center. Santos hat Abschlüsse des Baruch College und der New York University. Er ist erfahrener Investor an der Wall Street, hat für die Citigroup und Goldman Sachs gearbeitet.

Allerdings: Diese Geschichte ist frei erfunden. Und zwar von Santos selbst. Wenige Dinge lassen sich zweifelsfrei über Santos feststellen. Er wurde im November 2022 ins Repräsentantenhaus gewählt; die New York Times entlarvte ihn kurz darauf als Schwindler; gegen ihn laufen derzeit Ermittlungen mehrerer Strafverfolgungsbehörden.

Ungeachtet der Schwindeleien über seine Familiengeschichte und Vermögensverhältnisse verlangte die Grand Old Party von Santos nicht, seinen Sitz aufzugeben. Damit ist er der erste offen schwule Republikaner, der als Nichtamtsinhaber in das Repräsentantenhaus einzog. Bis 2019 war der Katholik mit einer Frau verheiratet, die Ehe hielt aber nur bis kurz vor Bekanntgabe seiner Kongresskandidatur. Damals stellte sich George Santos bei einer konservativen Veranstaltung in New York als Anthony Devolder vor, Gründer von »United for Trump«. Wahrscheinlich hat er seine mittleren Namen genannt – aber trotz dieser Verwirrung machte Vice zufolge keine Regierungsbehörde Anstalten, seine Geburtsurkunde anzufordern. Seine Trump-Unterstützergruppe existierte nie – oder hat keine Online-Präsenz. Santos soll in den nuller Jahren bei Schönheitswettbewerben rund um Rio de Janeiro als Dragqueen angetreten sein. Jeder habe Santos dort als Anthony oder unter seinem Drag-Namen Kitara gekannt, berichtete Reuters. Santos zufolge seien das hanebüchene Behauptungen der Medien. Als überzeugter Konservativer unterstützt er das sogenannte »Don’t say gay«-Gesetz in Florida, das das Thema sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität im Unterricht verbietet. Gewiss ist aber Santos’ Tierliebe, hatte er doch einst für seine Organisation Friends of Pets United Geld gesammelt. Und die Vorwürfe, er habe für die Operation der krebskranken Hündin eines behinderten obdachlosen Veteranen gespendete 3 000 Dollar unterschlagen, sind bestimmt haltlos.