Die FPÖ steigt in der Wählergunst

Blaue Welle auf der Donau

Die FPÖ ist allen Skandalen zum Trotz zweitstärkste Kraft bei der Landtagswahl in Niederösterreich geworden. Auch der Vorwurf, für einen Nationalratsantrag Geld aus Russland erhalten zu haben, wird wohl die führende Stellung der Partei in bundesweiten Umfragen kaum gefährden.

Das internationale Recherchenetzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project hat zusammen mit dem Magazin Profil eine weitere Affäre der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) aufgedeckt; die Zahl der Skandale um die Partei ist kaum noch überblickbar. Starke Indizien sprechen demnach dafür, dass FPÖ-Politiker von Russland bestochen wurden, um sich für die Aufhebung der verhängten Sanktionen nach der Annexion der Krim auszusprechen. Ein russischer PR-Agent soll Geld für einen prorussischen Antrag im Nationalrat geboten haben.

Gehackte E-Mails eines »russischen Chef-Propagandisten« sollen Profil zufolge ein Dokument in russischer Sprache mit dem Titel »Entschließung zur Aufhebung antirussischer Sanktionen im österreichischen Parlament« be­inhalten. Der damalige Nationalratsabgeordnete Johannes Hübner brachte tatsächlich im Juli 2016 wenige Wochen nach dem E-Mail-Kontakt einen Entschließungsantrag ein, der aber abgelehnt wurde. Als Kosten waren im Dokument 20 000 Euro veranschlagt, bei erfolgreicher Abstimmung wurde ein Zuschlag von 15 000 Euro versprochen. Ob Geld tatsächlich geflossen ist, bleibt unklar, Belege gibt es nicht. Die Angelegenheit wurde bereits im März 2022 publik, das russische Dokument ist bekannt, der dazugehörige E-Mail-Verkehr nicht. Die FPÖ wies alle Vorwürfe zurück. Generalsekretär Christian Hafen­ecker teilte am Samstag mit, es handle sich um »uralte Vorwürfe«, von denen kein einziger auch nur ansatzweise wahr sei und die schon unzählige Male dementiert worden seien.

 Bei der Landtagswahl in Niederösterreich, die auch als bundespolitischer Stimmungstest gilt, hat die FPÖ rund ein Viertel der Stimmen erhalten.

Die Enthüllung ist kein Problem für »die Blauen«, denn was auch noch herauskommen mag, es wird ihren erneuten Höhenflug bei den Umfragen kaum bremsen. Die innigen Beziehungen der FPÖ zum Kreml sind seit Jahren bekannt, sie stören ihre Wähler:innen nicht. Für kaum eine andere Nation hat sich die Partei in der Vergangenheit so intensiv eingesetzt. Im Jahr 2016 hatten der damalige Parteiobmann Heinz-Christian Strache und auch Infrastrukturminister Norbert Hofer unter großer medialer Beachtung einen Kooperationsvertrag mit der Kreml-Partei Einiges Russland unterzeichnet. Ziel des Vertrags war auch die »Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude«. Zu ihrer Hochzeit im Sommer 2018 lud die damalige Außenministerin Karin Kneissl den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein, tanzte mit ihm und knickste vor ihm. Im Ukraine-Krieg bezog die FPÖ Position für Russland. FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl dampfte das komplexe Thema der hohen Inflation in Österreich denn auch auf eine zwar falsche, aber leicht verständliche Formel ein: Die Sanktionen gegen Russland seien schuld daran.

Simple Antworten garantieren Erfolg. Bei der Landtagswahl in Niederösterreich, die auch als bundespolitischer Stimmungstest gilt, hat die FPÖ am 19. Januar rund ein Viertel der Stimmen erhalten, über neun Prozentpunkte dazugewonnen und die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) in der Wählergunst überflügelt. Die christlich-konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), die derzeit Österreich in einer Koalition mit den Grünen regiert und den Bundeskanzler Karl Nehammer stellt, konnte sich zwar als stärkste Partei im flächenmäßig größten Bundesland behaupten, verlor aber ungefähr zehn Prozentpunkte und damit die absolute Mehrheit im Landesparlament. »Der FPÖ ist es gelungen, aus dieser Landeswahl eine Bundeswahl zu machen«, sagte die niederösterreichische Ministerpräsidentin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Bei der bundesweiten Sonntagsfrage lag die FPÖ jüngst mit knapp 28 Prozent in Führung, gefolgt von SPÖ mit etwa 24 Prozent und ÖVP mit nur noch 21 Prozent. Die Grünen und die liberale Partei Neos liegen bei jeweils rund zehn Prozent.

Die FPÖ führt in den Umfragen, und das, obwohl sie bei Regierungsbeteiligung selten bis zum Ende der Wahlperiode durchhält, obwohl die damaligen FPÖ-Führungspolitiker Strache und Johann Gudenus 2019 dabei gefilmt wurden, wie sie sich auf Ibiza von einer falschen Oligarchennichte kaufen ließen, und trotz unzähliger verbaler Attacken auf die Grundlagen der Zweiten Republik. Es wäre wohl falsch zu fragen, warum die FPÖ trotz allem immer wieder gewählt wird, besser wäre es zu akzeptieren, dass die FPÖ wegen all dem gewählt wird – von Rassisten, Alltagsfaschisten, Neonazis oder Verschwörungstheoretikern, die in Österreich zusammen offenbar in etwa ein Viertel der wahlberechtigten Bevölkerung ausmachen.

Auch die bürgerlich-konservative ÖVP setzt fremdenfeindliche Akzente. So hat sie Anfang Dezember, vor den Wahlen in Niederösterreich, gegen die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum gestimmt. Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begründete das mit über 100 000 illegalen Grenzübertritten nach Österreich: »Das ist ein Beweis, dass das System an vielen Enden nicht funktioniert.« Er halte es daher für falsch, das Schengen-Gebiet auch noch zu erweitern. Gelang es der ÖVP mit ihrem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz einst noch, FPÖ-Forderungen zu übernehmen, funktioniert das mit FPÖ-Obmann Kickl nicht mehr, er äußert sich zu offen rechtsextrem. Wie radikal die Forderungen der ÖVP auch sein mögen, die der FPÖ sind radikaler. Die ÖVP will Grenzzäune? Die FPÖ möchte gleich Mauern und eine »Festung Österreich« errichten, so einer ihrer Wahlslogans.

Die SPÖ verschafft der FPÖ weiteren Zulauf, da sie es nicht schafft, eine der höchsten Inflationsraten in ganz Europa und die damit verbundene Verelendung weiter Teile der Bevölkerung in eine politische Kampagne umzumünzen. Auch die vielen Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP können die Sozialdemokraten nicht für sich nutzen. Sie sind vollauf damit beschäftigt, sich innerparteilich aufzureiben. Dazu kommt die häufig ungeschickt agierende Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner, die beispielsweise im Sommer­interview des öffentlich-rechtlichen Senders ORF auf die Frage antwortete, was die SPÖ denn in Sachen Migrationspolitik zu tun gedenke, dies sei »derzeit kein Thema, alle Experten sagen uns das«. ÖVP und SPÖ forderten immerhin, dass der Rechnungshof die Vorwürfe über Geldflüsse aus Russland an die FPÖ prüfe.

Auch die Auseinandersetzung der Zivilgesellschaft mit dem neuerlichen Höhenflug der FPÖ bleibt in Moralismus und Distinktionsgehabe stecken. Als Beispiel seien die Ansichten zum Landesparteiobmann der niederösterreichischen FPÖ, Udo Landbauer, genannt, der die ÖVP für einen starken Anstieg der Asylbewerberzahlen im Vorjahr verantwortlich macht und mit seiner FPÖ angetreten sei, um das »System ÖVP« in Niederösterreich zu beenden. In den vergangenen Jahren hatten einige Linksliberale immer wieder auf den vermeintlichen Widerspruch hingewiesen, dass Landbauer eine iranische Mutter habe und trotzdem extrem rechte, sogar völkische Positionen vertrete. Was sie offenbar nicht wussten: Rechtsextremisten in der Tradition der NSDAP betrachten Iraner als »Arier«. Nazideutschland pflegte engste wirtschaftliche und politische Beziehungen zum Iran. Primitive Sprüche wie »Land­bauer ist doch selber Ausländer« verfingen dementsprechend nicht. Den Wähler:innen ist seine Ahnengalerie weitgehend egal. Und dann ist da noch der Name. Landbauer! Das klingt, als ob man den Bot Chat GPT beauftragt hätte, einen besonders österreichischen Namen zu berechnen.

Um die erstarkende extreme Rechte zu bekämpfen, braucht es zuallererst ein Verständnis für die Funktionsweise rechter politischer Demagogie. Statt verächtlich über die weitverbreiteten irrationalen Reaktionen auf die derzeitigen multiplen Krisen zu lachen, wäre es von höchster Dringlichkeit, eine bessere Antwort auf die Frage zu finden, warum eine Partei wie die FPÖ damit reüssieren kann, gegen Covid-19-Schutzimpfungen, die allgemeinen Menschenrechte und andere Errungenschaften der Zivilisation zu hetzen. Das Versprechen rechtsextremer Politiker besteht selten darin, das Leben ihrer Wähler:innen zu verbessern, sondern vielmehr darin, das Leben anderer zu verschlechtern. Die beste Antwort auf rechtsextreme Politik wäre nicht, den rechtsextremen Politiker und seine Wähler:innen der Unmoral zu bezichtigen, sondern für Verhältnisse zu kämpfen, in denen sich nicht so viele danach sehnen, ihre vielen Kränkungen durch autoritäre Angebote durch das Misshandeln anderer zu lindern.