Der chinesische Spionageballon über den USA gibt Rätsel auf

Rätselhafter Höhenflug

Die Debatte über die missglückte chinesische Spionageaktion
Was kümmert mich der Dax Von

Das »Licht Kong­mings« soll im Jahr 231 erstrahlt sein. Umzingelt von Feinden habe der chinesische Feldherr Zhuge Liang, dessen höfischer Name Kongming lautete, Heißluftballons eingesetzt, um Verstärkungen herbeizurufen. Die persönliche Zuschreibung ist möglicherweise eine Legende, doch ist unbestritten, dass in China erstmals Ballons zu militärischen Zwecken eingesetzt wurden, möglicherweise sogar schon im dritten Jahrhundert vor Christus. In den ersten Jahren des Kalten Kriegs waren Ballons dann ein Mittel der Spionage, da die feindliche Luftabwehr sie nicht erreichen konnte. Wegen der nunmehr hoch entwickelten Satellitentechnologie schienen Spionageballons allerdings überflüssig geworden zu sein.

Doch sie werden weiterhin eingesetzt, wie sich im Zuge der spektakulären Überquerung des US-Territoriums durch einen trotz seiner Flughöhe von mehr als 20 Kilometern bei klarem Wetter unübersehbaren chinesischen Ballon herausstellte. Dass es sich um ein ziviles Unterfangen handelte, wie China behauptet, ist nicht nur wegen des gewaltigen Aufwands – Gerätschaften mit einem Volumen von zwei bis drei Bussen erscheinen überdimensioniert für die Wetterbeobachtung – und der langen Verweildauer über wichtigen Militäranlagen in Montana unwahrscheinlich. Man hätte die USA dann auch rechtzeitig über ein Abdriften des Ballons informieren und damit viel Ärger vermeiden können. Es ist nicht ersichtlich, warum die chinesische Regierung den geplanten Besuch von US-Außenminister Antony Blinken durch solch eine pünktliche Provokation hätte verhindern wollen. Dessen Absage aber war nach den gängigen diplomatischen Regeln ebenso unvermeidlich wie die Abwehr des Spionageversuchs, den die US-Regierung ja nicht geheim halten konnte, auch wenn sie es gewollt hätte.

Nicht nur in US-amerikanischen Medien wird nun eifrig gerätselt, worauf China hinauswill. Dessen Regierung reagierte defensiv und kritisierte den Abschuss des Ballons vor der US-Küste zwar als »Überreaktion«, hatte zuvor aber sogar »Bedauern« über den Vorfall geäußert. Eine derartige Spionageope­ration im US-Luftraum hätte »fast sicher« von der Führungsspitze genehmigt werden müssen, so Steve Tsang, Direktor des SOAS China Institute der University of London, es habe sich wohl um eine »Fehlkalkulation« gehandelt.

Vielleicht ist man zu sehr der chinesischen Propaganda aufgesessen, wenn man das Land als zentral kontrollierte und hocheffiziente Maschinerie ansieht. Der Mangel an Einblick macht es unmöglich, das tatsächliche Ausmaß von Kontrolle und Effizienz auszumachen, doch darf man wohl getrost davon ausgehen, dass Korruption, Karrierismus, Schlendrian, Unfähigkeit, In­trigantentum und andere in einem so strikt hierarchischen Herrschaftsapparat sich unvermeidlich verbreitende Erscheinungen ihren Tribut fordern. Die Details des Ballonflugs dürften vorläufig ungeklärt bleiben, doch offenbar hat das chinesische Regime hier schlicht etwas verpatzt.