Die Philippinen verstärken ihre militärische Kooperation mit den USA

Zwischen den Stühlen

Unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. verstärken die Philippinen ihre Zusammenarbeit mit den USA – gut drei Jahrzehnte nach der Räumung der früheren US-Militärbasen im Inselstaat.

Rodrigo Duterte war berüchtigt für seine verbalen Entgleisungen. Der ehemalige Präsident der Philippinen titulierte den damaligen Präsidenten der USA, Barack Obama, bereits Anfang September 2016, nur rund drei Monate nach Dutertes Amtsantritt, als »Hurensohn«. Obama sagte daraufhin ein geplantes Treffen ab. Erst zwei Jahre später entschuldigte sich Duterte, Obama war bereits nicht mehr im Amt. Dieser Zwischenfall steht symbolhaft für das schwierige Verhältnis beider Länder damals. Selten waren die Beziehungen zwischen den Philippinen und den USA, ihrer Kolonialmacht zwischen 1898 und 1946, so unterkühlt wie in der Anfangszeit der sechs Amtsjahre Dutertes. Auch dessen enge Beziehungen zu China waren den USA ein Dorn im Auge.

Die USA werden von den Philippiner:innen sowohl als Unterdrücker als auch als Unterstützer wahrgenommen.

Im Territorialkonflikt mit China im Südchinesischen Meer agierte der sonst wenig diplomatische Duterte meist lax und bemüht, Zusammenstöße zwischen lokalen Fischerbooten und chinesischen Schiffen nicht eskalieren zu lassen. Im Oktober 2016 traf er sich erstmals mit Chinas Präsident Xi Jinping in dessen Heimat und vereinbarte »umfassende Verbesserung der Beziehungen«. Binnen weniger als drei Jahren folgten vier weitere Staatsbesuche in der Volksrepublik. China beansprucht die Spratly-Inseln für sich, über 100 zumeist unbewohnte kleine Atolle und Riffe, weit verstreut in einem Meeresgebiet von Hunderttausenden Quadratkilometern. Auch die Philippinen erheben Anspruch auf einen Teil der Inselgruppe, entlang derer eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt verläuft. Neben den Philippinen und China reklamieren auch Taiwan, Vietnam, Brunei und Malaysia die Spratly-Inseln zur Gänze oder teilweise für sich. Auf über 40 Eilanden bestehen Militärgarnisonen der jeweiligen Staaten mit Ausnahme Bruneis, das Gebiet ist ein politischer Krisenherd. Zudem streiten die Philippinen und China um das Scarborough-Riff, ein weitgehend versunkenes Atoll weniger als 250 Kilometer vor der philippinischen Küste, das aus zwei Inseln und mehreren größeren und zahlreichen kleineren Korallenstöcken besteht und von China kontrolliert wird.

China macht seinen nahezu das gesamte Gebiet des Südchinesischen Meers umfassenden Souveränitätsanspruch seit Jahren immer aggressiver geltend. Zuletzt hat die philippinische Küstenwache ein Schiff der chinesischen Küstenwache beschuldigt, am 6. Februar ein grünes »militärisches Laserlicht« auf eines ihrer Schiffe gerichtet zu haben, um eine Versorgungsmission absichtlich zu blockieren, und als eine »eklatante Missachtung und klare Verletzung der philippinischen Hoheitsrechte« bezeichnet. Der Vorfall soll sich ereignet haben, als eines der philippinischen Schiffe versuchte, Lebensmittel und Vorräte zum Second Thomas Shoal zu bringen, einem unterseeischen Riff bei den Spratly-Inseln, wie der Guardian berichtet. Ein kleines philippinisches Militärkontingent befindet sich dort an Bord eines ehemaligen US-Kriegsschiffs, das 1999 absichtlich am Second Thomas Shoal auf Grund gesetzt wurde, um den philippinischen Anspruch auf das Riff zu markieren. China wurde bereits in der Vergangenheit beschuldigt, Laser in der Region eingesetzt zu haben, auch von Australien, das im vergangenen Jahr meldete, ein militärischer Laser sei auf eines seiner Flugzeuge gerichtet gewesen.

Seit der Wahl von Ferdinand »Bong Bong« Marcos Jr. zum Präsidenten im vergangenen Jahr versucht Dutertes Nachfolger, die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Anfang Februar gewährte seine Regierung im Zuge engerer Kooperation erweiterten Zugang zu Militärbasen in »strategischen Gebieten des Landes«, wie das philippinische Verteidigungsministerium ohne Nennung der Standorte mitteilte, wodurch die Präsenz der USA in der Region erheblich verstärkt wird. Die US-Streitkräfte sollen Zugang zu vier weiteren Stützpunkten erhalten, wurde bei Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin im Präsidentenpalast der Hauptstadt Manila vereinbart. Von einem »big deal« sprach Austin kurz danach bei einer Pressekonferenz.

Beide Seiten berufen sich bei der jüngsten Vereinbarung auf einen Beistandspakt aus dem Jahr 1951. In der Regierungszeit des früheren Diktators und Vaters des heutigen Präsidenten, Ferdinand Marcos, von 1965 bis 1986, wurden die Philippinen in der sich verschärfenden Blockkonfrontation des Kalten Kriegs zu einem wichtigen Stützpunkt der US-Amerikaner in Südostasien. Die US-Streitkräfte bauten vor allem zwei Stützpunkte auf der Nordinsel Luzon für ihre strategischen Zwecke aus. In Angeles, nördlich von Manila, lag die Luftwaffenbasis, US-Kriegsschiffe liefen seit 1947 die bedeutsame Marinebasis Subic Bay im nordphilippinischen Olongapo an. Auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hatten die USA Interesse an den philippinischen Stützpunkten und handelten einen neuen Stationierungsvertrag aus. Dieser wurde jedoch im September 1991 vom philippinischen Senat mit zwölf zu elf Stimmen abgelehnt. Die USA schlossen daraufhin ihre Basen und zogen 1992 ab. Ab dem Jahr 1999 intensivierten sich die sicherheitspolitischen Beziehungen beider Staaten wieder.

Die USA werden von den Philippin­er:innen sowohl als Unterdrücker als auch als Unterstützer wahrgenommen. Die derzeit verstärkte Präsenz US-amerikanischer Streitkräfte wird nicht nur begrüßt, was auch an jüngsten Äußerungen des US-Generals Michael Minihan liegen könnte, der dem in New York City ansässigen Fernsehsender NBC News zufolge einen Waffengang zwischen den USA und China 2025 für wahrscheinlich halte. »Dancing with America has been a curse for the Philippines« (Mit Amerika zu tanzen, war ein Fluch für die Philippinen), hat die philippinische Schriftstellerin Gina Apostol einen Gastbeitrag in der New York Times vom Februar betitelt, in dem sie die historische Verknüpfung beider Länder beschreibt, vom Philippinisch-Amerikanischen Krieg (1898–1902), in dessen Folge die USA Spanien als Kolonialmacht im Inselreich ablösten, bis zur Ausplünderung des Lands unter dem Diktator Marcos Sr., dessen Familie damals Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse abzweigte und der von den USA 1986 ins Exil nach Hawaii ausgeflogen wurde. Die zwölf Senatoren, die 1991 eine weitere Stationierung von US-Streitkräften ablehnten, werden mittlerweile in Olongapo mit einem Denkmal gewürdigt. Unter Marcos Jr. kehren die US-Amerikaner nun zurück. Auch mit Japan, das die Philippinen zwischen 1942 und 1945 besetzt hielt, hat Marcos bei seinem fünftägigen Staatsbesuch in Tokio gerade stärkere militärische Kooperation vereinbart. Im Dezember beschloss Japan, seinen Rüstungsetat zu verdoppeln: Etwas Vergleichbares hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.