Südkorea und ­Japan einigen sich im Konflikt um Entschädigungen für Zwangsarbeiter

Ein pragmatischer Kompromiss

Ein Entschädigungsabkommen für Opfer japanischer Zwangsarbeit soll die seit Jahren belasteten Beziehungen zwischen Südkorea und Japan verbessern. Auch die USA unterstützen es.

Die politischen Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Ein Krieg um die demokratische und unabhängige Inselrepublik Taiwan, die die Kommunistische Partei Chinas als Hoheitsgebiet und Teil der Volksrepublik ansieht, wird immer wahrscheinlicher. China errichtet künstliche Inseln als Militärstützpunkte, rüstet mit Flugzeugträgern auf und kreiste Taiwan bei einer Militärübung anlässlich des als Provokation empfundenen Besuchs der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Anfang August fast komplett ein. US-Präsident Joe Biden hat sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bislang vor allem Waffenlieferungen bedeutete, und lässt die US-Marine in Sichtweite der chinesischen Küstenwache patrouillieren. Außerdem versuchen die USA, die Bündnispartner in der Region, wie Südkorea, Japan oder die Philippinen (Jungle World 7/2023), verstärkt in eine gemeinsame Sicherheitsstruktur einzubinden.

Historisch bedingte Konflikte stellen dabei Hindernisse dar, die die Einigkeit gegenüber China untergraben könnten. Entsprechend erfreut zeigte sich das Weiße Haus über das neue Abkommen zwischen Südkorea und Japan, mit dem Entschädigungszahlungen für Koreaner geregelt werden sollen, die während der japanischen Kolonialherrschaft von 1910 bis 1945 zur Arbeit gezwungen wurden. Demnach sollen südkoreanische Unternehmen die Ansprüche der einstigen Zwangsarbeiter begleichen. Japan erklärte im Gegenzug lediglich die Absicht, in einen gemeinsamen Stipendienfonds einzuzahlen, eine ausdrückliche Entschuldigung fehlt in der Erklärung. Biden verlautbarte, die Ankündigungen seien »ein bahnbrechendes neues Kapitel der Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen zwei der engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten«.

Geschädigte und deren Nachkommen, die seit fast 80 Jahren um die Anerkennung der Gräueltaten des japanischen Imperialismus kämpfen, können nun zwar mit einer finanziellen Kompensation rechnen. Dass diese aber aus dem eigenen Land kommt, weil Japan sich beharrlich jeder Verantwortung entzieht, stößt bei vielen auf Unverständnis. Der japanischen Regierung zufolge sind Ansprüche koreanischer Zwangs­arbeiter mit dem bilateralen Abkommen von 1965 abgegolten. Beide Länder hatten damals diplomatische Beziehungen aufgenommen. Japan finanzierte ein Hunderte Millionen US-Dollar schweres Hilfspaket für das damals sehr arme Südkorea als Ausgleich für in der Besatzungszeit erlittenes Unrecht. Südkorea verzichtete im Gegenzug auf ein Schuldeingeständnis Japans. In einer Erklärung von 1998 versprachen Südkoreas dama­liger Präsident Kim Dae-jung und der japanische Ministerpräsident Keizō Obuchi, die Vergangenheit zu überwinden. Japan war zu einer vorsichtig formulierten Entschuldigung ohne Eingeständnis spezifischer Verbrechen bereit. Im Vergleich dazu wirkt der nun geschlossene Kompromiss wie ein Rückschritt.

2018 hatte der Oberste Gerichtshof Südkoreas japanische Unternehmen für haftbar erklärt, die von Zwangsarbeit profitiert haben. Demnach hätten die Überlebenden oder Nachkommen der rund 780 000 koreanischen Zwangsarbeiter Schadensersatz von Konzernen wie Nippon Steel oder Mitsubishi Heavy Industries verlangen können. Die Weigerung Japans, das südkoreanische Urteil anzuerkennen, führte zu einer großen Boykottbewegung in Südkorea, durch die touristische Reisen in das Nachbarland stark zurückgingen und mehrere japanische Marken ihre Geschäfte schließen mussten. Japan strich daraufhin Südkorea von der Liste der bevorzugten Handelspartner, was wiederum die koreanische Wirtschaft schwächte. In der Folgezeit beruhigte sich der Konflikt, Proteste verebbten mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Im vergangenen Jahr brüskierte die nationalkonservative Regierung Japans die südkoreanische Öffentlichkeit wieder, indem sie der Unesco eine auf der japanischen Insel Sado gelegene alte Goldmine als Weltkulturerbe empfahl – ohne die dortige Ausbeutung von etwa 2 000 koreanischen Zwangsarbeitern zu nennen. 2015 wurden bereits historische Orte Japans zum Weltkulturerbe ernannt, obgleich die Unesco die fehlende Erwähnung von Zwangsarbeit rügte.

Im Zweiten Weltkrieg wurden zudem schätzungsweise 200 000 Frauen aus Korea, China und Südostasien, die verharmlosend »Trostfrauen« genannt werden, zur Zwangsprostitution in japanische Armeebordelle verschleppt; auch das ist bis heute kaum aufgearbeitet. 2015 entschuldigte sich der frühere Ministerpräsident Shinzō Abe für die Verbrechen, obwohl er stets eine Beteiligung der japanischen Regierung daran geleugnet hatte, um mit der damaligen südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye eine Einigung zu erzielen. Südkorea verzichtete auf diesbezügliche Kritik an Japan, das knapp acht Millionen Euro Entschädigung zahlte. Nur drei Wochen später allerdings sagte Abe vor dem japanischen Parlament, dass es für Entführungen von »Trostfrauen« keine Beweise gebe.

Die südkoreanische Regierung scheint dennoch darum bemüht zu sein, die Zusammenarbeit mit dem uneinsichtigen Nachbarland zu verbessern. Die Annäherung soll noch in diesem Monat mit einem Besuch von Präsident Yoon Suk-yeol bestärkt werden, dem ersten südkoreanischen Staatsbesuch in Japan seit fünf Jahren. Der im vergangenen Jahr gewählte Yoon (Auf Moon folgt Yoon: Südkoreas designierter Präsident ist der antifeministische Wirtschaftsliberale Yoon Suk-yeol, Jungle World 11/2022) verteidigte in seiner Rede zum Unabhängigkeitstag am 1. März das unpopuläre Abkommen über die Entschädigungen mit den großen Herausforderungen, vor denen Südkorea stehe: Neben den militärischen Drohungen aus Nordkorea sei da die Rivalität zwischen den USA und China, deren Wirtschaftskrieg bereits in vollem Gange sei. Der Schulterschluss der beiden Länder begünstigt die sicherheitspolitischen Pläne der USA für eine militärische Allianz in der Region. Doch viele Südkoreaner fühlen sich um die Erinnerung an ihre leidvolle Geschichte unter der japanischen Besatzung betrogen.