Bob Dylan begibt sich auf eine Zeitreise

Aufgeklärte Ignoranz

Der Literaturnobelpreisträger unternimmt in seinem Buch »Die Philosophie des modernen Songs« einen atemberaubenden Sprung – zurück in eine vergangene Zukunft.
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Nein, ausgewogen ist Bob Dylan nach wie vor nicht, auch nicht, wenn er ein kommentiertes Kompendium an Musiktiteln vorstellt, wie es »Die Philosophie des modernen Songs« tut. Radikal unterscheidet sich seine Auswahl beispielsweise von den ­hyperkorrekten Playlists an populärer Musik, mit denen etwa ein Barack Obama seit seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf 2008 regelmäßig seine Fan-Gemeinde in deren Geschmack sowohl anleitet wie bestätigt: Blitzsauber achten er beziehungsweise seine Berater darauf, dass alle gängigen Musikstile repräsentiert sind – so weit sie sich nicht zu weit abseits des Gartenpartykompatiblen befinden. Metal, ja gibt’s, aber nur bis Metallica, kein Schritt weiter, HipHop, ja gibt’s (etwas häufiger), aber bitte ohne Gewalt und Drogen zu erwähnen. Etwas für Nostalgiker, penibel hautfarbenabgestimmt, ­etwas mehr oder weniger Zeitgenössisches, fein gendergerecht, etwas fürs Barbecue, etwas fürs Dinner zu zweit und etwas für die Nerven im morgendlichen Stau.

Mit so etwas hat Dylans Auswahl von 66 Titeln, die von Harry McClintocks – Spitzname: Mac – Version des traditionellen Folk-Songs »Jesse James« (1928) bis zu »Pump It Up« (1978) von Elvis Costello reicht, nichts zu tun. Erstens, klar, kann man sie nicht einfach per Knopfdruck hören, man muss sie lesen beziehungsweise sich von Dylan vor­lesen (eigentlich: vor-schreiben) lassen. Vom Erwerb der Hörbuch-Aus­gabe ist übrigens dringend abzuraten, denn der Kölner Ober-Bap Wolfgang Niedecken ist eine vielleicht verkaufsträchtige, aber völlig unangemessene Sprecherwahl.

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