Widerstand gegen die geplanten Filialschließungen bei Galeria-Kaufhof Karstadt

Nicht aufgeben im Abwehrkampf

Die Beschäftigten und Verdi organisieren die Gegenwehr gegen die Kaufhausschließungen bei Galeria Karstadt Kaufhof. Doch Gewerkschaften sind im Einzelhandel seit Jahren in der Defensive.

Ganz verschwinden wird Galeria Kar­stadt Kaufhof (GKK) nicht. Am Montag stimmten die Gläubiger der insolventen Warenhauskette den Sanierungsplänen der Konzernführung zu, wobei sie auf die Rückzahlung eines Großteils des ihnen geschuldeten Geldes verzichteten. Im Gegenzug sollten 47 von 129 Filialen sollen geschlossen werden.

Es fiel ausgerechnet dem Gesamt­betriebsrat zu, am 13. März nach einer Aufsichtsratssitzung an die Öffentlichkeit zu treten und die Presse über die Pläne des Konzerns zu informieren. Damals war noch von der Schließung von 52 Filialen die Rede. »Insgesamt werden somit weit über 5 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren«, teilte die Arbeitnehmervertretung mit. Bisher ­arbeiten 17 000 Menschen beim letzten großen Warenhauskonzern in Deutschland.

Aus guten Gründen hüten sich Gewerkschaften normalerweise davor, die Überbringer solcher Hiobsbotschaften zu sein, ist dies doch Aufgabe der verantwortlichen Konzernspitze. Dass dies im Fall von GKK anders war, ist sym­ptomatisch. Während das Unternehmen es nicht für nötig erachtete, den Betroffenen reinen Wein einzuschenken, wollten die Betriebsrät:innen ihre Kolleg:innen nicht länger im Dunkeln lassen. Aus Sicht der für den Einzelhandel zuständigen Gewerkschaft Verdi zeigte der Unwillen der Konzernführung um René Benko, die Betroffenen zu informieren, einmal mehr ­deren Geringschätzung für die Beschäftigten.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erlebte seit ihrer Gründung 2001 einen drastischen Mitglieder­schwund im Bereich des Einzelhandels.

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren führt der österreichische Immobilienunternehmer Benko GKK in die Insolvenz. Immer mehr bestätigt sich offenbar die von Verdi schon seit Benkos Übernahme des Konzerns vorgebrachte Befürchtung, dass es ihm weniger um das Unternehmen selbst als um die zugehörigen Innenstadtimmobilien gehe.

Sein Milliardenvermögen machte Benko vor allem mit Luxus­immobilien in bester Lage. Immer wieder ermittelten österreichische Staatsanwaltschaften gegen Benko wegen Bestechungsvorwürfen; sein undurchsichtiges Firmennetzwerk mit diversen Briefkastenfirmen wurde, so gut es ging, durchleuchtet. 2014 übernahm er die Warenhauskette Karstadt, 2019 ­fusionierte er sie mit Galeria Kaufhof.

Filialen nur noch Mieter
Die Immobilien von GKK hat Benko längst aus dem Konzern herausgelöst und in eigene Gesellschaften überführt. Die Filialen sind nur noch Mieter, die eigens gegründeten Immobilien­gesellschaften erhoben Medienberichten zufolge teils horrende Mieten, die zur derzeitigen Schieflage der Warenhauskette beigetragen haben.

Die Zeche dafür zahlen erneut die Beschäftigten. Bereits nach der ersten Insolvenz 2020 nahmen die Beschäftigten Einbußen bei den Löhnen hin und verzichteten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dennoch wurden damals 40 Filialen geschlossen und 4 000 Beschäftigte entlassen. Der Konzern erhielt Staatshilfen in Höhe von 680 Millionen Euro. Im Oktober 2022 stellte GKK erneut einen Insolvenz­antrag und trat zugleich in Verhandlungen um Wirtschaftshilfen in Höhe von 238 Millionen Euro.

Dass die Insolvenz erneut zu Lasten der Beschäftigten abgewickelt werden sollte, zeigte sich auch daran, dass GKK den bereits verschlechterten sogenannten Überleitungstarifvertrag kündigte und derzeit in Tarifverhandlungen auf noch niedrigeren Löhnen und schwereren Arbeitsbedingungen besteht. Verdi fordert stattdessen die Rückkehr zu den Flächentarifverträgen für den Einzelhandel.

Die zweite Runde der Tarifverhandlungen war Ende Februar ohne Einigung zu Ende gegangen. »Auch in die Zukunft gerichtet bleiben die Entgelte weit unter den Erwartungen der Beschäftigten, die mit ihren Einkommensstrukturen ohnehin am meisten unter der Inflation leiden«, kommentierte Verdi-Verhandlungsführer Marcel Schäuble. »Das machen wir so nicht mit.«

»Widerspruch und Widerstand«
»Die Beschäftigten bei Galeria haben alles gegeben, damit der Laden läuft«, erklärte Verdi in einer Stellungnahme. »Sie haben ihr Know-how eingebracht, den Personalmangel durch hohen Einsatz kompensiert und dann noch auf erhebliche Teile ihres Arbeitseinkommens verzichtet.« Die Gewerkschaft kündigte »entschiedenen Widerspruch und Widerstand« an. »Wir werden zusammen mit den aktiven Beschäftigten um jeden Arbeitsplatz kämpfen«, so Stefanie Nutzenberger, für den Bereich Handel zuständiges Mitglied des Verdi-Bundesvorstands.

Vielerorts haben sich örtliche Solidaritätsinitiativen gegründet, die gegen die Schließungen protestieren und Unterschriften sammeln. »Wir alle, von Politik über Gesellschaft bis zur Gewerkschaft, dürfen diese Schließungspläne auf keinen Fall hinnehmen«, sagte beispielsweise Martin Gross, der Verdi-Landesbezirksleiter von Baden-Württemberg, wo 500 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.

Ganz aussichtslos ist der angekündigte Widerstand nicht. Bei der Insolvenz vor drei Jahren konnten mehrere Schließungen verhindert werden.

Die Proteste wenden sich insbesondere gegen die Geschäftspraktiken von René Benko. »Nachdem Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern in das Unternehmen gepumpt wurden, sollen etliche Innenstädte weiter veröden«, so Gross. »Und dass am Ende ein verantwortungsloser Milliardär und Immobilienspekulant sich einen schlanken Fuß macht, ist ein Skandal«, gibt Gross die Stimmung wieder, die vielerorts nicht nur die direkt Betroffenen gegen Benko aufbringt.

Ganz aussichtslos ist der angekündigte Widerstand nicht. Bei der Insolvenz vor drei Jahren konnten mehrere Schließungen verhindert werden. Und auch jetzt zeigt sich, dass GKK durchaus auf öffentlichen Druck reagiert. So gab es insbesondere in Leipzig wütende Kritik auch von Lokalpolitikern wegen der Entscheidung, den dortigen Standort zu schließen.

Geschwächte Gewerkschafts­bewegung
Wenige Tage später verkündete GKK, dass die Filiale doch erhalten bleiben solle, ebenso vier weitere Häuser, darunter auch der Standort Erlangen. Dort sieht man die Rücknahme der Schließung als Ansporn, sollen doch im benachbarten Nürnberg gleich zwei Filialen geschlossen werden. »Wir sehen das als gutes Vorzeichen für unseren Kampf um die Nürnberger Kolleg:innen und die Filialen«, so ­Jaana Hampel von Verdi Mittel­franken.

Allerdings trifft die erneute Insolvenz von GKK auf eine im Handel insgesamt geschwächte Gewerkschafts­bewegung. Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren von gewerkschaftlichen Abwehrkämpfen in der im strukturellen Wandel befindlichen Branche geprägt. Nur mit heftigen Arbeitskämpfen konnten die Beschäftigten die stetigen Angriffe der Arbeitgeberseite auf die einst erstrittenen Errungenschaften meist abwehren und den Flächentarifvertrag zumindest teilweise verteidigen. Organisierungserfolge von Verdi im boomenden Internethandel gab es – trotz jahrelanger Bemühungen wie bei Amazon – nicht.

So erlebte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi seit ihrer Gründung 2001 einen drastischen Mitgliederschwund in der Branche. Immer weniger Beschäftigte im Einzelhandel fallen unter die von Verdi durchgesetzten tariflichen Regelungen. Unterlagen im Jahr 2000 noch die Hälfte aller Betriebe dem Branchentarifvertrag im Einzelhandel, sind es jetzt nur noch 20 Prozent. Wurden 2000 noch mehr als 70 Prozent der Beschäftigten vom Tarifvertrag erfasst, sind es jetzt gerade einmal 28 Prozent.

Die Zerschlagung des letzten großen Warenhauskonzerns hierzulande droht, die Schwächung der gewerkschaftlichen Durchsetzungsfähigkeit im Einzelhandel zu verschärfen – mit Folgen für die gesamte Branche. In nicht tarifgebundenen Einzelhandelsbetrieben müssen Beschäftigte bereits seit Jahren Reallohnverluste hinnehmen, während sich ihre Arbeitsbedingungen verschlechterten und Wochenenddienste und überlange Arbeitszeiten zum Alltag wurden.