Panik Panzer von der Antilopen Gang hat keine gewöhnliche Rapper-Biographie verfasst

Noch eine deutsche Erfolgsgeschichte

Tobias Pongratz alias Panik Panzer hat zusammen mit dem Soziologen Martin Seeliger ein Buch geschrieben. Es erzählt nichts Geringeres als den rasanten Aufstieg des Rappers zum »besten Menschen der Welt«. Klingt wie ein Scherz? Ist auch einer!

Es soll keiner behaupten, die Jugend lese nicht: Während die Werke zahlreicher deutscher Intellektueller in den Buchhandlungen verstauben, verkauft sich manches Buch eines Rappers oder einer Influencerin blendend. Beliebt beim jungen Publikum ist vor allem die Mischform aus Biographie und Lebensratgeber: Es will etwas über den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufstieg einer prominenten Person lernen – und Tipps dafür bekommen, wie es auch bei einem selbst klappen könnte.

So gut läuft dieses Geschäft, dass sich manches Verlagshaus auf das lukrative Genre regelrecht spezialisiert hat. 192 Bücher zählt allein der Riva-Verlag in seiner Sparte »Biografien und Schicksale«, viele mit dem unmissverständlichen Gütesiegel »Spiegel-Bestseller«.

Deutsche Erfolgsgeschichten sind dabei, wie die des Rappers Kollegah (»Das ist alpha! Die 10 Boss-Gebote«), die des ehemaligen Rockerbanden-Mitglieds Kassra Zargaran (»Der Perser. Wie ich ein Hells Angel wurde, als Kronzeuge vor Gericht auspackte und im Zeugenschutz landete«) oder die der Musikerin und Unternehmerin Katja Krasavice (»Die Bitch Bibel«, kein Untertitel). Die Lebensgeschichte des 34jährigen Youtubers Marcel Eris alias »Mon­tanablack« – oder kurz: Monte – verkaufte sich sogar so gut, dass es von ihr eine Fortsetzung gibt.

»Antifa heißt Angriff, das wussten wir. Campino, Farin Urlaub und Wolfgang Niedecken hatten uns für Grundprobleme im Verhältnis von Sonderinteressen und Gemeinwohl sensibilisiert.«

Nun haben die Millionärinnen und Millionäre aus dem Webvideo-Milieu oft Besseres zu tun, als selbst zu schreiben. Daher entstehen diese Bücher oft in Zusammenarbeit mit Co-Autoren, deren Business-Mindset leider nicht für die große Youtube-Karriere, sondern allenfalls für eine Laufbahn im Journalismus gereicht hat. Der Welt-Autor Dennis Sand beispielsweise hat nicht nur die »Monte«-Chroniken römisch eins (»Vom Junkie zum Youtuber«) und römisch zwei (»Vom Youtuber zum Millionär«), sondern auch die Autobiographie des jüdischen Gangster-Rappers Sun Diego mitverfasst.

Nun erscheint erneut ein solches Buch, und diesmal ist der Co-Autor sogar Soziologe: Martin Seeliger beschäftigt sich eigentlich mit uncoolen Themen wie dem Wandel der Arbeitsgesellschaft, der Digitalisierung oder der sogenannten Öffentlichkeit. Neben Titeln zu diesen verschnarchten Themen finden sich in seiner Bibliographie allerdings auch drei sozialwissenschaftliche Analysen des Phänomens Gangsta-Rap, die Seeliger dazu qualifiziert haben dürften, mit jemandem ein Buch zu schreiben, der, statt Soziologie zu studieren, etwas Vernünftiges mit seinem Leben anzufangen wusste: dem Rapper Panik Panzer von der Antilopen Gang.

Ironischer Schuss Seriosität
Gemeinsam haben die beiden nun mit dem Buch »Der beste Mensch der Welt. Wie ich es schaffte, die Spitze der Nahrungskette zu erklimmen« die prestigeträchtige Riva-Verlagsreihe fortgesetzt. Schon nach den ersten Sätzen wird allerdings klar, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Rapper-Biographie handelt.

So lernt man im ersten Kapitel, wie der Protagonist sich selbst als Einjähriger mit purer Muskelkraft aus dem Gurt eines Kindersitzes befreite. Später erfährt die Leserschaft noch, wie derselbe junge Mann in der Maas-Rhein-Region nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft Opium für die Heroinherstellung anbaute, einen Flugzeugabsturz überlebte und mit einem Panzer der Bundeswehr durch die Aachener Innenstadt fuhr.

Beinahe jedes Kapitel enthält mindestens einen cleveren Merksatz, der sich ideal als Wandtattoo oder Instagram-­Bio eignen würde, zum Beispiel: »Ihr dürft niemals aufgeben«, oder: »Außerirdische existieren.«

Das ist natürlich alles Quatsch, ­erhält aber durch die zahlreichen sozialwissenschaftlichen Einschübe, die mutmaßlich auf das Konto des soziologisch geschulten Co-Autors gehen, einen ironischen Schuss Seriosität. Immer wieder versteckt sich in dem Buch akademische Expertise, etwa vielerlei Zitate von Herder bis Hegel, oder eher methodische Aufklärung wie jene darüber, dass der Mittelwert »die durchschnittliche Ausprägung einer Grundgesamtheit abbildet« – was an gegebener Stelle erklären soll, dass man »immer 100 Prozent« geben soll, und »gerne auch mal mehr«.

An anderer Stelle beweisen Panzer und Seeliger, dass sie nicht nur Phrasen dreschen, sondern diesen auch einen gesellschaftlichen Gehalt andichten können: »Antifa heißt Angriff, das wussten wir. Campino, Farin Urlaub und Wolfgang Niedecken hatten uns für Grundprobleme im Verhältnis von Sonderinteressen und Gemeinwohl sensibilisiert.«

Im Prinzip folgt »Der beste Mensch der Welt« daher den ungeschriebenen Regeln des anfangs skizzierten Buchgenres und persifliert sie: Ein noch gar nicht so alter Mensch lässt seine geringfügig beschönigte Lebensgeschichte aufschreiben, mit dem Ziel, sich selbst ein bescheidenes Denkmal zu setzen, eine alternative Einkommensquelle zu erschließen und den eigenen Weg anderen zur Nachahmung zu empfehlen.

Panzer und Seeliger gelingt eine Metapersiflage auf das neoliberale Influencer-Milieu, auf den deutschen Buchmarkt, auf deutschen Rap, ja, vielleicht auf Deutschland ins­gesamt sowie auf – und das ist nicht unerheblich – sich selbst.

So enthält beinahe jedes Kapitel mindestens einen cleveren Merksatz, der sich ideal als Wandtattoo oder Instagram-Bio eignen würde, zum Beispiel: »Ihr dürft niemals aufgeben«, oder: »Außerirdische existieren.« Gelegentlich ließ sich die Weisheit eines Kapitels offenbar nicht in einen einzigen Merksatz gießen, sondern erforderte gleich ganze Reihen an Lehren: »Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Die Katze in Handschuhen fängt keine Mäuse. Anstrengung ist für edle Geister eine Stärkung. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.«

Wem das zu intellektuell daherkommt, der wird sich über die zahlreichen popkulturellen Anspielungen freuen, die in das Buch gemogelt wurden. Ob Böhse Onkelz, Sportfreunde Stiller, Mühlheim Asozial oder Egotronic: Immer da, wo es Panzer und Seeliger selbst nicht hätten besser formulieren können, behelfen sie sich mit Ergüssen anderer, in der Regel, na klar, ohne Quellenangabe.

Großes Durcheinander
Das klingt alles nach einem großen Durcheinander, nach flachen Gags und pseudointellektuellen Platitüden, aber so einfach ist es nicht. Immerhin wird bereits auf Seite acht des Buchs klärend festgehalten: »Solltet ihr vorab schlechte Rezensionen gelesen haben, kann das gar nicht sein.«

Also: Falls »Der beste Mensch der Welt« wider Erwarten kein kommer­zieller Erfolg wird wie seine Genre-Genossen, dann kann es hier nur mit dem Teufel zugehen. Entweder wurde die satirische Absicht gar nicht oder genau richtig verstanden – das Buch also für zu voll oder gar nicht ernst genommen – oder die Kritik hat ihre Arbeit nicht gemacht und es kritisiert. Vielmehr verhält es sich so: Panzer und Seeliger gelingt eine Metapersiflage auf das neoliberale Influencer-Milieu, auf den deutschen Buchmarkt, auf deutschen Rap, ja, vielleicht auf Deutschland ins­gesamt sowie auf – und das ist nicht unerheblich – sich selbst. Nach knapp 200 Seiten weiß ein Leser alles und nichts über den »jungen Panik Panzer«, den »Jungen Panik Panzer« und schließlich den »Mann Panik Panzer« – und bekommt obendrein noch ein fast vollständiges Rezept für ein perfektes Rührei mit dazu.

 

Panik Panzer Buchcover

Panik Panzer und Martin Seeliger: Der ­beste Mensch der Welt. Wie ich es schaffte, die Spitze der Nahrungskette zu erklimmen. Riva-Verlag, München 2023, 208 Seiten, 17 Euro